Medizin

Kein gemeinsamer Ursprung von Asthma und Allergien

Entdeckung von sechs neuen Asthma-Risikofaktoren im Genom

Eine große Genstudie hat sechs neue Risikofaktoren für Asthma entdeckt. Überraschenderweise zeigte sich dabei auch, dass nur ein geringer Zusammenhang zwischen Asthma- und Allergie-auslösenden Genvarianten besteht. Entgegen bisherigen Annahmen sind damit Allergien, die oft mit Asthma einhergehen, wohl eher eine Konsequenz der Lungenerkrankung als deren Auslöser. Die Studienergebnisse sind jetzt im renommierten Fachjournal „New England Journal of Medicine“ erschienen.

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Weltweit leiden bis zu 100 Millionen Menschen an Asthma bronchiale, das durch genetische und umweltbedingte Faktoren verursacht wird. In den letzten beiden Jahrzehnten ist die Zahl der Asthma-Patienten stark angestiegen: In manchen Regionen sind bis zu 35 Prozent der Bevölkerung betroffen, in Deutschland sind nur etwa fünf bis zehn Prozent an Asthma erkrankt. Große multi-nationale Kooperationen sind fast schon Standard bei der Untersuchung komplexer genetischer Erkrankungen. Im Rahmen des EU-Projekts GABRIEL, dem 164 Wissenschaftler aus 19 Ländern angehören, wurde jetzt erneut eine große, europaweite Studie durchgeführt.

Gene von 26.000 Probanden untersucht

Die Wissenschaftler untersuchten für die GABRIEL-Studie mehr als 10.000 Asthmatiker und 16.000 gesunde Probanden, je nach Herkunftsland eingeteilt. Insgesamt wurden dabei mehr als 15 Milliarden individuelle genetische Tests durchgeführt, die alle Gene des menschlichen Genoms abdecken. Besonderheit dieses Projekts: Fast alle der 15 Milliarden genetischen Tests wurden in einer einzigen Einrichtung durchgeführt, dem „Centre National de Genotypage” in der Nähe von Paris. Dies stellt eine möglichst einheitliche Auswertung sicher.

„Diese genetische Studie lief über fünf Jahre von der Planung bis zu ihrem Abschluss“, berichtet Professor Miriam Moffatt vom Imperial College, London, die federführend an der Untersuchung beteiligt war. „Vorausgegangen sind aber Jahre der Vorbereitung, in denen die 26.000 Probanden rekrutiert und genau untersucht wurden. Das war nur möglich, weil alle Mitglieder von GABRIEL ihren Beitrag geleistet haben.“

Sechs neue Risikofaktoren

In der genomweiten Assoziationsstudie entdeckten die Forscher mehrere neue Gene, die zu einem Asthma beitragen können. „Wir haben sechs Risikofaktoren für Asthma bronchiale gefunden“, sagt Dr. Joachim Heinrich vom Helmholtz Zentrum München. Diese Risikofaktoren sind Genvarianten, auch SNPs bzw. „Single Nucleotide Polymorphisms“ genannt. Einige dieser Varianten helfen dabei, das Immunsystem auf Schäden der Mukosa aufmerksam zu machen, also der Schleimhäute, die die Atemwege auskleiden. Andere Gene kontrollieren möglicherweise, in welchem Umfang die geschädigten Atemwege repariert werden. „Unsere nächste große Aufgabe wird sein, die Ursachen der Schleimhautdefekte zu entschlüsseln“, sagt Professor Erika von Mutius, Medizinerin an der Universität München und Ko-Koordinatorin von GABRIEL.

Neue Gene besonders bei schweren Fällen aktiv

Nach den jetzt vorliegenden Ergebnissen spielen die neu identifizierten Gene bei mehr als einem Drittel der kindlichen Asthmatiker eine Rolle – besonders ausgeprägt ist dies bei schweren Fällen. Die Forscher vermuten daher, dass sich diese Gene als Zielobjekte eignen für effektivere Therapien als sie

bisher zur Verfügung stehen. Trotz der neuen Erkenntnisse aber ließe sich mit Hilfe genetischer Tests kaum vorhersagen, welche Kinder später im Leben zu Asthmatikern werden, so die Wissenschaftler. Die Studie zeigte zudem, dass die genetischen Effekte in Erwachsenen schwächer ausgeprägt sind. So zeigte das für kindliche Asthmatiker wichtigste Gen namens ORMDL3/GSDMB keine Auswirkung bei Patienten, die Asthma erst als Erwachsene entwickelten.

Kein Zusammenhang zwischen Asthma und Allergien

Das Team untersuchte auch Gene, die die Produktion von Allergie erzeugenden Antikörpern, dem Immunglobulin E oder IgE, regulieren. Anders als erwartet, trugen diese Gene aber nicht zum Asthma bei, und die Asthma- Gene hatten auch kaum Einfluss auf das IgE. Damit sind Allergien, die oft gemeinsam mit Asthma auftreten, wohl eher eine Konsequenz dieser Erkrankung als deren Ursache.

(Universität München, 24.09.2010 – NPO)

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