Geowissen

Arktis-Wasser gibt Forschern Rätsel auf

Studie liefert Indizien für Veränderungen im arktischen Ozean

2007 war das Jahr mit der bisher geringsten gemessenen Eisbedeckung der Arktis. © National Snow and Ice Data Center, Boulder (Colorado, USA)

Bei Untersuchungen zur Eisbildung in der sibirischen Laptev-See ist ein internationales Wissenschaftlerteam jetzt auf möglicherweise gravierende Veränderungen in der Schichtung des arktischen Ozeans gestoßen. Die Forscher stellen die Ergebnisse ihrer neuen Studie in der Fachzeitschrift „Journal of Geophysical Research“ (JGR) vor.

Dass die Eisbedeckung der Arktis während der Sommermonate in den vergangenen 30 Jahren um 40 Prozent zurückgegangen ist, können Wissenschaftler mit Satellitenaufnahmen relativ einfach nachweisen. Doch die Prozesse, die diesem Rückgang zugrunde liegen, sowie mögliche Auswirkungen sind bisher nur zu einem kleinen Teil bekannt.

Projekt „Laptev-See-Polynja“

Im mehrjährigen Projekt „Laptev-See-Polynja“ versuchen Wissenschaftler, den Ursachen und Folgen des Klimawandels und seinen speziellen Mechanismen in der Arktis auf die Spur zu kommen. Dabei stießen Forscher des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) zusammen mit Kollegen aus Bremerhaven, Trier und Sankt Petersburg auf Veränderungen der Wassermassenverteilung in der sibirischen Laptev-See, die auch Auswirkungen auf die Eisbildung in der gesamten Arktis haben könnten.

Polynjas, die im Fokus der Untersuchungen stehen, sind offene Wasserflächen zwischen festem Küsteneis und treibendem Meereis vor den Küsten Sibiriens. In diesen Wasserflächen entsteht während der Wintermonate neues Eis für den arktischen Ozean. Wegen der extremen Wetterbedingungen können die Wissenschaftler diesen Prozess im Winter aber nur eingeschränkt beobachten.

Wasserproben aus der sibirischen Laptev-See. Anhand solcher, während der Sommermonate genommener Wasserproben können die Forscher die Eisbildung im Winter rekonstruieren. Im Jahr 2007 stießen sie dabei auf Verteilungsmuster, die bisherigen Vorstellungen widersprechen. © J. Steffen / IFM-GEOMAR

Physikalische Trickkiste

Deshalb greifen sie in die physikalische Trickkiste. Im Meerwasser kommen zwei verschiedene Varianten des Wassermoleküls, so genannte Isotope, vor. Wo Wasser zu Eis gefriert, ändert sich das Mengenverhältnis dieser Isotope zueinander. Diese Veränderung ist noch Monate später messbar. Im Sommer, wenn die Küstengewässer Sibiriens eisfrei sind, können die Wissenschaftler verhältnismäßig einfach Wasserproben nehmen und in ihnen die Verschiebung des Isotopenverhältnisses aus dem vergangenen Winter nachweisen.

„So können wir Aussagen darüber treffen, wo, wann und wie viel Eis im Winter zuvor gebildet wurde“, erklärt die Physikerin Dorothea Bauch vom IFM-GEOMAR, die Hauptautorin der aktuellen Studie.

Obwohl die Eisbildung an der Meeresoberfläche abläuft, fanden die Forscher die dazu passenden Isotopen-Spuren vor allem in Wasserproben vom Grund der Laptev-See. „Dafür gibt es eine logische Erklärung“, sagt Bauch. „Friert an der Meeresoberfläche Wasser, wird Salz ,ausgefroren’, das zurückbleibende Wasser ist also sehr salzreich. Daher ist das vom Gefrierprozess markierte Wasser schwerer als das der Umgebung und sinkt zum Meeresboden.“

Auffällige Verteilung von Isotopenspuren

Messergebnisse aus dem Jahr 2007 zeigen jedoch den Wissenschaftlern zufolge ein ganz anderes Bild: Die gesuchten Isotopenspuren fanden sich nahe der Wasseroberfläche. „Das widerspricht unserem bisherigen Vorstellungen von der Schichtung und der Verteilung der Wassermassen in der Region“, so Bauch.

Eine Erklärung dafür könne eine Veränderung in den Mechanismen sein, die zur winterlichen Eisbildung beitragen, führen die Forscher in ihrer Studie aus. 2007 war für die Eisbedeckung der Arktis ein Extremjahr – seit Beginn wissenschaftlicher Aufzeichnungen hat es in den Sommermonaten nie so wenig Eis im nördlichen Ozean gegeben wie in diesem Jahr. „Ein Zusammenhang mit der auffälligen Verteilung der Isotopenspuren ist also wahrscheinlich“, sagt Bauch.

Salzarmes Oberflächenwasser als Isolator

Sollte sich die Entdeckung als Trend erweisen, könnte das bedeuten, dass mehr salzreiches Wasser in die arktische Oberflächenwasserschicht gelangt. Bisher wirkte das salzarme Oberflächenwasser wie ein Isolator gegen das verhältnismäßig warme Tiefenwasser, das aus dem Atlantik in den arktischen Ozean strömt.

„Wenn man bedenkt, dass Meerwasser erst bei minus 1,8 Grad Celsius friert, das Wasser aus dem Atlantik aber mit Temperaturen knapp über dem Nullpunkt in die Arktis kommt, dann würde eine Schwächung der isolierenden Oberflächenwasserschicht den Rückgang des Meereises weiter beschleunigen“, betont Bauch. Bisher sei die Datenmenge allerdings zu gering, um eine andauernde Veränderung zu bestätigen. So zeigt die aktuelle Entdeckung vor allem auch eines: „Wir wissen einfach noch viel zu wenig über die Mechanismen der Eisbildung und der Wasserverteilung in der Arktis“, so die Physikerin.

Schwierige Umweltbedingungen

Zusätzliche Daten soll die Expedition TRANSDRIFT XVII im Rahmen des Projekts „Laptev-See-Polynja“ bringen, die gegenwärtig in der russischen Laptev-See unter Fahrtleitung des IFM-GEOMAR stattfindet.

„Leider erhalten wir aufgrund der schwierigen Umweltbedingungen mit jeder Expedition nur Stichproben. Dabei ist die Arktis ein in Hinblick auf den Klimawandel enorm wichtiges Gebiet. Bei allem wissenschaftlichen Fortschritt fangen wir gerade erst an, es zu verstehen“, betont die Projektleiterin Heidemarie Kassens vom IFM-GEOMAR.

(idw – Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 06.10.2010 – DLO)

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