Unter der Eiskruste des Jupitermonds Europa könnte sich noch mehr verbergen als ein Ozean flüssigen Wassers: Entgegen bisherigen Annahmen laufen in der Tiefe des Eises möglicherweise chemische Reaktionen auch zwischen gefrorenen Stoffen ab – und dies sogar erstaunlich schnell, wie jetzt Laborexperimente belegen. Die nun in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“ vorgestellten Erkenntnisse könnten bisherige Vorstellungen der Chemie und Geologie von Europa, aber auch von anderen Eismonden verändern.
Der Jupitermond Europa ist von einer dicken Eiskruste bedeckt, die wegen ihrer extremen Kälte kaum chemische Reaktionen unterhalb der Oberfläche zulässt – so dachte man bisher. Denn bei Temperaturen auf dem Mond von minus 187 bis minus 143 Grad Celsius benötigen die meisten Reaktionen eine zusätzliche Energiezufuhr. Eine bekannte Energiequelle für den Eismond ist der Einstrom energiereicher Teilchen aus den Strahlungsgürteln des Jupiter. Da jedoch die meisten dieser Teilchen nur wenige Zentimeter in die Eisoberfläche vordringen, wurden sie in Modellen der chemischen Vorgänge unter der Eisdecke bisher meist nicht berücksichtigt.
Reaktionen im Eis auch ohne Strahlungsenergie?
„Wenn Leute über Chemie auf Europa reden, dann geht es typischerweise um Reaktionen, die durch Strahlung angetrieben werden”, erklärt Mark Loeffler vom Goddard Space Flight Center der NASA. Jetzt jedoch haben er und seine Kollegen in Laborexperimenten herausgefunden, dass es auch ohne Strahlung und energiereiche Teilchen Reaktionen unter der Eisdecke von Europa geben könnte.
Für ihre Versuche sprühten die Forscher Wasserdampf und Schwefeldioxidgas auf Spiegel in einer Hochvakuumkammer, die auf 50 bis 100 Kelvin – dies entspricht minus 223 bis minus 173 Grad Celsius – heruntergekühlt waren. Die Gase kondensierten dabei sofort und wurden zu Eis. Durch frühere Messungen von Raumsonden ist bekannt, dass Schwefel im Eis von Europa präsent ist, vermutlich stammt es aus den Eisvulkanen des Jupitermonds Io, vielleicht aber auch aus dem untereisischen Ozean von Europa selbst. Was damit geschieht, war aber bislang unbekannt.