Die Orchidee Epipactis veratrifolia betreibt eine Mimikry der ganz besonderen Art: Sie produziert Botenstoffe, die normalerweise von Blattläusen ausgesendet werden und lockt damit Schwebfliegenweibchen zur Bestäubung an. Für die Schwebfliegge ist dies eine Sackgasse, da sie auf der Orchidee keine Nahrung für ihre Larven finden, die Pflanze jedoch profitiert. Diesen „Trick“ haben jetzt Forscher aufgedeckt und berichten darüber in das Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B”.
Schon Darwin gab sich als Liebhaber von Orchideen zu erkennen, und der Duden beschreibt die Orchidee als „eine exotische Zierpflanze“. Doch die Pflanzen haben auch eine Schattenseite: Sie sind gewiefte Betrügerinnen, sobald es um ihre Fortpflanzung geht. Denn bestäubt werden können die Fruchtknoten der Exoten nur mit Hilfe von Insekten. Epipactis veratrifolia, eine Orchidee verbreitet in der Südtürkei, Vorderasien und Zypern, hat sich dabei auf Schwebfliegen spezialisiert.
Chemische „Verkleidung“ als Blattlaus
Wissenschaftler aus dem Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena haben nun herausgefunden, mit welchem Trick diese Orchidee ihre Bestäuber anlockt. Sie produziert drei chemische Alarmsubstanzen, alpha und beta Pinen, beta Myrcen und beta Phellandren, die eigentlich von Blattläusen untereinander als Botenstoff ausgesendet werden. Den Alarm riechen Schwebfliegenweibchen und legen ihre Eier direkt bei den Blattläusen ab, denn diese dienen den schlüpfenden Larven als perfekte Babynahrung. Die von der Orchidee getäuschten und für Bestäubungszwecke missbrauchten Schwebfliegenweibchen legen ebenfalls ihre Eier ab – die sich daraus entwickelnden Larven jedoch sind dem Tode geweiht, da sie keine Blattlaus in der verführerischen Orchideenblüte vorfinden.
Die von der Schwebfliegenart Episyrphus balteatus bevorzugte Blattlausart Megoura viciae produziert alpha und beta Pinen sowie beta Myrcen. Diese Stoffe erzeugen in den Antennen der Schwebfliegen messbare elektrische Impulse. Verhaltensexperimente wiederum belegten, dass genau diese Stoffe die Schwebfliegen anlocken und zur Eiablage animieren. Weitere Untersuchungen zeigten, dass die Orchidee aber nicht nur die Alarmsubstanzen einer einzigen Blattlausart vortäuscht, denn die von den Blattläusen und von der Blüte abgegebenen Substanzen sind in ihrer Menge und ihrer Zusammensetzung unterschiedlich.