Evolution

Frühmensch erfand „Feinschliff“ 50.000 Jahre früher

75.000 Jahre alte Werkzeugfunde in Südafrika belegen frühe Kenntnis des „Pressure flaking“

„Pressure Flaking“ © C. Thiébaut

50.000 Jahre früher als gedacht kannten unsere Vorfahren schon eine spezielle Methode, um ihre Steinspitzen zu schärfen und akkurat zu formen. Das zeigen Funde von 75.000 Jahre alten Steinwerkzeugen in einer Höhle in Südafrika, die eindeutig bereits durch dieses Verfahren des Erhitzens und Nachbearbeitens erzeugt worden sind. Wie die Forscher in „Science“ berichten, könnte diese Technologie dem modernen Homo sapiens bei seiner Wanderung „Out of Africa“ einen entscheidenden Vorteil verschafft haben.

Tausende von Jahren lang nutzten unsere Vorfahren Steinwerkzeuge, um zu jagen, zu nähen und ihre Nahrung zu bereiten. In dieser Zeit verfeinerten sie die Methoden der Werkzeugherstellung ständig. Als relativ modern galt bisher die Methode des so genannten „Pressure flaking“. Dabei erhält ein zuvor erst durch harte Steinhämmer, dann durch weichere Holz- oder Knochenwerkzeuge bearbeiteter Faustkeil-Rohling eine Art „Feinschliff“. Bei diesem wird ein Werkzeug direkt auf die nachzubearbeitende Stelle aufgesetzt und durch Druck gezielt ein kleines Gesteinsstück abgesprengt. Häufig wurde diese Absprengung durch vorheriges Erhitzen des Rohlings erleichtert.

„Diese Technik ermöglicht eine bessere Kontrolle der Schärfe, Dicke und der Gesamtform von zweiseitigen Werkzeugen wie Speerspitzen oder Steinmessern“, erklärt Paola Villa, Kuratorin am Naturkundemuseum der Universität von Colorado und Koautorin der Studie. Die frühesten bisher entdeckten Funde solcher Steinwerkzeuge stammten aus der Zeit vor rund 20.000 Jahren in Spanien und Frankreich. Doch jetzt hat ein internationales Forscherteam in der Blomos-Höhle in Südafrika Belege für einen sehr viel früheren Einsatz dieser Technik entdeckt.

„Pressure Flaking“ schon vor 75.000 Jahren

Die Wissenschaftler unter Leitung von Christopher Henshilwood von der Universität von Bergen in Norwegen analysierten mehrere hundert in der Höhle gefundene Steinwerkzeuge und Artefakte, die der vor rund 75.000 Jahren etablierten Still Bay-Kultur zugerechnet werden. Die mikroskopische Untersuchung der Bruchflächen von Quarzsilikatspitzen enthüllte, dass die Oberflächen von mindestens der Hälfte der fertigen Speerspitzen durch Erhitzen und anschließendes „Pressure Flaking“ bearbeitet worden sind.

Zum Vergleich stellten die Wissenschaftler zudem aus in der Nähe der Höhle gefundenen Steinen Replikate der steinzeitlichen Werkzeuge her, die sie auf die gleiche Weise bearbeiteten: Erst grobes Formen durch Hämmern, dann Erhitzen und Nachbearbeiten mittels „Pressure Flaking“. Die so erzeugten Oberflächen entsprachen denen der steinzeitlichen Werkzeuge.

Steinwerkzeug der Still Bay-Kultur © Science / AAAS

Neue Technologie als Vorteil für Homo sapiens

„Diese Ergebnisse sind wichtig, weil sie zeigen, dass die modernen Menschen in Südafrika bereits sehr früh ein komplexes Repertoire an Herstellungstechniken für ihre Werkzeuge besaßen“, erklärt Villa. „Diese Innovation ist ein klares Beispiel für die Tendenz, neue Ideen und Technologien zu entwickeln, wie sie als typisch für fortgeschrittenes, modernes Verhalten angesehen wird. Dies könnte den Gruppen des Homo sapiens, die vor rund 50.000 Jahren aus Afrika auswanderten, einen Vorteil verschafft haben.“

Nach Ansicht der Forscher könnte die Technologie des „Pressure Flaking“ in Afrika erfunden und dort schon sporadisch eingesetzt worden sein, bevor sie sich später in Europa, Australien und Nordamerika weit verbreitete. Auch von den frühen Besiedlern Amerikas ist bekannt, dass sie diese Technik nutzten, um Steinspitzen für ihre Jagd auf Großsäuger wie Mammuts, Mastodon und frühe Pferde zu erzeugen.

(University of Colorado at Boulder, 02.11.2010 – NPO)

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