In Galaxien werden regelmäßig neue Sterne geboren. Das geschieht aber nicht gleichmäßig: Manchmal herrscht im stellaren Kreissaal Hochkonjunktur, dann geht die Geburtenrate wieder stark zurück. Astronomen haben nun eine neue Methode entwickelt, in den „Geburts-Tagebüchern“ weit entfernter Galaxien zu lesen.
Die Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Cambridge stellen ihre Ergebnisse jetzt in der aktuellen Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society” vor.
Kosmologisches Tagebuch
Die Entwicklungsgeschichte einer Galaxie von ihrer Entstehung kurz nach dem Urknall bis heute lässt sich aus ihren Sternen ablesen. Das Beispiel der Großen Magellansche Wolke verdeutlicht das: Die Zwerggalaxie befindet sich heute auf einer Bahn um die Milchstraße. In ihr entstehen seit ein bis zwei Milliarden Jahren deutlich mehr Sterne als zuvor. Das deutet darauf hin, dass sich die Magellansche Wolke erst seit dieser Zeit im gravitativen Einflussbereich der Milchstraße befindet.
Die Sternentstehungsgeschichte einer Galaxie ist also gewissermaßen ihr „kosmologisches Tagebuch”. Um diese Tagebücher zu lesen, nutzten Astronomen bislang zwei unterschiedliche Methoden. „Bei Galaxien in unserer Nähe ist die Sache vergleichsweise einfach“, erklärt Thomas Maschberger vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn: „Mit steigendem Alter verändern Sterne nämlich ihre Farbe und Helligkeit. Wir beobachten sie also mit dem Teleskop und können dann aus Farb-Helligkeits-Diagrammen das Alter der Sterne ablesen.“
24 Millionen Sterne im Visier
Das machen Forscher nicht nur für einen Stern, sondern für ziemlich viele – im Falle der Großen Magellanschen Wolke für 24 Millionen. „So können wir beispielsweise feststellen, wann die Galaxie hinsichtlich der Entstehung neuer Sterne besonders aktiv war“, sagt der Bonner Astronom Professor Pavel Kroupa.
Für weiter entfernte Galaxien nutzen die Wissenschaftler dagegen das Licht aller Sterne in ihnen zusammen. Aus diesem Gesamtspektrum lassen sich ebenfalls Rückschlüsse auf die Sternentstehungsgeschichte ziehen. Die Ergebnisse sind allerdings wesentlich weniger detailreich.
Sternhaufen als Geschichtenschreiber
Die Astronomen aus Bonn und Cambridge haben nun eine neue Methode zur Auswertung galaktischer Tagebücher erprobt. Basis dafür sind die Umstände, in denen Sterne innerhalb einer Galaxie entstehen. Typischerweise geschieht das nicht in völliger Isolation. Stattdessen werden Sterne in „Rudeln“ geboren, als so genannte Sternhaufen. Zu solchen stellaren Mehrlingsgeburten kommt es, wenn das Gas innerhalb der Galaxie lokal kondensiert.
Je mehr Sterne in einer Galaxie entstehen, desto mehr Sternhaufen finden sich in ihr und desto heller sind sie, so die Forscher. Das Alter dieser Strukturen lässt sich ebenfalls über das von ihnen ausgehende Licht bestimmen. „Auf diese Weise können wir also genau wie anhand von Einzelsternen die Sternentstehungsgeschichte rekonstruieren“, betont Kroupa. „Der Vorteil daran: Sternhaufen lassen sich auch in relativ weit entfernten Galaxien noch individuell auswerten. Wir können daher für eine viel größere Zahl von Galaxien erheblich detailliertere Ergebnisse erhalten, als bisher möglich war.“
Große Magellansche Wolke als Testfall
Ein erster Testfall war die Anwendung der Methode auf die Große Magellansche Wolke. Durch ihre Nähe zu uns ist es möglich, die Sternhaufen-Methode mit der Farben-Helligkeits-Diagramm-Methode zu vergleichen. „Beide führen für die letzte Milliarde Jahre zu im Wesentlichen identischen Ergebnissen“, freut sich Maschberger. „Das zeigt, dass unser Vorschlag funktioniert und auch auf weitere Galaxien angewandt werden kann.“
Für die entferntere Vergangenheit unterscheiden sich die Ergebnisse jedoch: Es gibt weit mehr alte Sterne, als man anhand der sichtbaren Sternhaufen erwarten würde. Dieser Befund ist bisher rätselhaft: Hat sich die Art geändert, wie sich Sterne bilden? Oder ist vielleicht die Wechselwirkung der Großen Magellanschen Wolke mit der Milchstraße dafür verantwortlich? Maschberger: „Diese Fragen machen unsere Arbeit in der nächsten Zeit außerordentlich spannend.“
(idw – Universität Bonn, 05.11.2010 – DLO)