Der tropische Regenwald gilt als extrem gefährdet, wenn die globalen Temperaturen weiter steigen. Doch möglicherweise schadet ihm die zukünftige Klimaerwärmung weniger als gedacht: Eine jetzt in „Science“ erschienene Studie belegt, dass die Tropenwälder vor gut 56 Millionen Jahren noch höhere Temperaturen und CO2-Werte erstaunlich gut überstanden. Ihre Artenvielfalt nahm während dieses thermischen Maximums sogar noch zu.
Vor gut 56 Millionen Jahren erlebte das irdische Klima einen beispiellosen Hitzeschub: Die Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre verdoppelten sich innerhalb von nur 10.000 Jahren. Die globalen Temperaturen stiegen, bis sie schließlich 3 bis 5° Celsius höher als heute lagen. 200.000 Jahre lang hielt dieses thermische Maximum an, dann normalisierten sich die Bedingungen allmählich wieder. Aber was bedeutete ein so dramatischer Wandel für die damaligen Ökosysteme? Und welche Folgen hat die heute ähnlich schnelle Erwärmung des Klimas durch anthropogenen Einfluss?
Zeitzeugen: Pollen aus dem thermischen Maximum
Um herauszufinden, wie vor allem die tropischen Regenwälder mit dem Umschwung des Klima klar kamen, haben Wissenschaftler des Smithsonian Tropical Research Institute (STRI) die Reaktion der damaligen Pflanzen vor, während und nach dem thermischen Maximum anhand von fossilen Pollen untersucht. Die Proben stammten dabei aus Bohrkernen und Aufschlüssen in Kolumbien und Venezuela, Gebieten, in denen schon damals tropischer Regenwald vorherrschte.
Temperaturen jenseits des Optimums
Die Analysen zeigen, dass die Temperaturen in diesem Gebiet während des thermischen Maximums auf 31 bis 34°C anstiegen. Damit liegen sie zwar noch unterhalb der kritischen Toleranzgrenze der Blatttemperatur für einige tropische Pflanzen, erreichten aber Werte, die nach Ansicht vieler Forscher das Ökosystem Regenwald bereits überfordern müssten. Denn nach gängiger Lehrmeinung liegen die meisten tropischen Ökosysteme heute, bei Durchschnittstemperaturen um 27,5°C, bereits an ihrem thermischen Optimum – mehr Wärme könne daher nur negativ wirken.
Auftritt neuer Arten statt Massenaussterben
Doch die Pollenanalysen zeichnen ein überraschend anderes Bild: Entgegen den Erwartungen scheinen die Regenwälder unter der abrupten Warmphase kaum gelitten zu haben. Sie schrumpften nicht, sondern vergrößerten stattdessen ihre Artenvielfalt sogar noch. Zwar stieg der Artenschwund damals leicht an, gleichzeitig aber entwickelten sich neue, gut angepasste Pflanzenarten schneller als alte Spezies ausstarben. So traten damals erstmals Pollen der Familie der Passionsblumen und der Kakaofamilie auf.
Feuchtigkeit entscheidend
Die kurze, aber heftige Wärmeperiode vor gut 56 Millionen Jahren riss offensichtlich keine größeren Lücken in das Netz der pflanzlichen Artenvielfalt. Allerdings zeigen die Daten auch, dass das Klima damals zwar wärmer, aber gleichzeitig auch feuchter wurde. Einige Szenarien für das Zukunftsklima der Tropen heute gehen dagegen von einem warmen und trockeneren Klima aus.
„Es ist bemerkenswert, dass es so viel Besorgnis über die Auswirkungen der Treibhausgas-Bedingungen auf die tropischen Wälder gibt“, erklärt Klaus Winter, Wissenschaftler am STRI. „Trotzdem könnten diese Horrorszenarien wahrscheinlich an Wert gewinnen, wenn die erhöhten Temperaturen häufigere oder schwerere Dürren auslösen, wie es einige der aktuellen Prognosen für solche Szenarien andeuten.“ Vorerst jedoch belegt die neue Studie, dass die Vegetation des Regenwalds gegenüber Hitze, erhöhten CO2-Werten und Feuchtigkeit wesentlich robuster reagieren könnte als befürchtet.
(Smithsonian Tropical Research Institute, 15.11.2010 – NPO)