Ein internationales Astronomenteam hat das erste Doppelsternsystem entdeckt bei dem sich ein pulsierender veränderlicher Stern – ein Cepheid – und sein Begleitstern gegenseitig bedecken. Die seltene Ausrichtung der Bahnen der beiden Sterne ermöglichte zum ersten Mal eine genauere Bestimmung der Masse des Cepheiden als je zuvor. Dieses jetzt in „Nature“ veröffentlichte Ergebnis klärt nun auch die jahrzehntelange Frage, welche der Theorien zu den Cepheiden die richtige ist.
Klassische veränderliche Sterne vom Typ der Cepheiden, sind instabile Sterne die größer und viel heller als die Sonne sind. Sie dehnen sich regelmäßig aus und ziehen sich anschließend wieder zusammen, wobei ein solcher Kreislauf je nach Stern zwischen einigen Tagen und mehreren Monaten dauert. Die Zeit, die der Cepheide braucht, um heller und anschließend wieder dunkler zu werden, ist vergleichsweise länger bei leuchtkräftigeren Sternen und kürzer bei leuchtschwächeren. Dieser erstaunlich präzise Zusammenhang macht die Untersuchung von Cepheiden zu einem der besten Werkzeuge zur Vermessung der Entfernungen naher Galaxien, und ist ein Schritt zur Bestimmung aller Distanzen im Universum.
Zwei sich widersprechende Theorien
Unglücklicherweise versteht man die Cepheiden trotz ihrer großen Bedeutung noch nicht vollständig. Bisher verfügten Astronomen über zwei miteinander unverträgliche theoretische Vorhersagen für die Massen von Cepheiden. Vorhersagen ihrer Massen aus der Theorie der Sternpulsationen liegen 20-30 Prozent niedriger als Vorhersagen aus der Theorie der Sternentwicklung. Welche davon korrekt ist, konnte aber nicht beantwortet werden.
Um festzustellen, welche der beiden stimmt, war es nötig, ein Doppelsternsystem aus einem Cepheiden und einem anderen Stern zu finden, dessen Bahnebene von der Erde aus in Kantenlage zu sehen ist. In einem solchen System, das man als „Bedeckungsveränderlichen“ bezeichnet, ändert sich die scheinbare Helligkeit der Sterne, wenn jeweils einer der Partner auf seiner Umlaufbahn vor dem anderen vorbeizieht. Für so ein Paar können Astronomen die Massen der Sterne sehr genau bestimmen. Leider sind sowohl Cepheiden als auch Bedeckungsveränderliche selten, so dass die Chance so ein ungewöhnliches Paar zu finden recht gering zu sein schien. In der Milchstraße ist kein derartiges Sternenpaar bekannt.
Doppelsternsystem aus Cepheide und Begleiter entdeckt
Doch genau einen Astronomenteam unter Leitung von Grzegorz Pietrzyński von der Universität von Concepción in Chile und dem Astronomischen Observatorium der Universität Warschau ist dies nun gelungen. „Vor kurzem haben wir tatsächlich in der Großen Magellanschen Wolke das Doppelsternsystem gefunden, auf das wir gehofft hatten“, erklärt Wolfgang Gieren, ein weiteres Teammitglied. „Es enthält einen Cepheiden der mit einer Periode von 3,8 Tagen pulsiert. Der Begleitstern ist etwas größer und kühler. Beide Sterne umkreisen sich einmal alle 310 Tage. Bei der Beobachtung mit dem HARPS Spektrographen auf La Silla offenbarte sich sofort die wahre Natur des Objekts als Doppelsternsystem.”
Masse des Cepheiden bis auf ein Prozent genau
Während die beiden Sterne auf ihren Umlaufbahnen voreinander herzogen, vermaßen die Beobachter sorgfältig die Helligkeitsschwankungen des seltenen Objekts, das die Bezeichnung OGLE-LMC-CEP0227 trägt. Ebenso verwendeten sie HARPS und andere Spektrographen um die Bewegungen der Sterne auf die Erde zu und von ihr Weg zu messen – und zwar sowohl die Umlaufbewegung beider Sterne, als auch die Bewegung der Oberfläche des Cepheiden während er anschwoll und sich wieder zusammenzog.
Der vollständige und sehr detaillierte Datensatz ermöglichte den Beobachtern die Bestimmung der Bahnbewegung, der Größen und der Massen beider Sterne mit großer Genauigkeit – und viel genauer als das jemals zuvor für einen Cepheiden gelungen war. Dessen Masse ist nun mit einer Unsicherheit von lediglich noch etwa ein Prozent bekannt.
Theorie der Sternpulsationen bestätigt
„Indem wir das HARPS Instrument am 3,6 Meter Teleskop des ESO Observatoriums auf La Silla in Chile zusammen mit anderen Teleskopen verwendeten, gelang es uns, die Masse eines Cepheiden weit genauer als in bisherigen Studien zu messen“, erklärt Pietrzyński. „Dieses neue Ergebnis ermöglicht es uns sofort festzustellen, welche der beiden konkurrierenden Theorien zur Vorhersage der Massen von Cepheiden die richtige ist.” Die neu gemessenen Werte stimmmen exakt mit Vorhersagen aus der Theorie der Sternpulsationen überein. Die Vorhersage einer größeren Masse aus der Theorie der Sternentwicklung stellte sich dagegen als falsch heraus.
Die stark verbesserte Bestimmung der Masse ist nur eines der Ergebnisse der Studie. Das Team hofft, weitere Exemplare dieser bemerkenswert nützlichen Sternpaare zu finden, um die beschriebene Methode noch mehrfach anwenden zu können. So glauben die Forscher mit Hilfe solcher Doppelsternsysteme schließlich die Entfernung zur großen Magellanschen Wolke mit einer Genauigkeit von einem Prozent bestimmen zu können. Das wiederum wäre eine äußerst wichtige Verbesserung der kosmischen Entfernungsleiter.
(ESO, 25.11.2010 – NPO)