Biologie

Molekulare „Raupen“ helfen Viren bei der Vermehrung

Simulation zeigt, wie ein Enzym die RNA-Stränge des Hepatitis-C-Virus trennt

Helikase bei der Arbeit © Holger Flechsig / PNAS

Um wirksame Medikamente gegen Viren zu identifizieren, müssen Wissenschaftler zunächst verstehen, wie sich diese Krankheitserreger vermehren. Nur dann können sie deren Reproduktionsmechanismus mit effektiven Wirkstoffen außer Kraft setzen. Mit neuen Modellrechnungen sind Berliner Forscher jetzt dem Verständnis dieses Mechanismus einen Schritt näher gekommen. Anhand der Helikase des Hepatitis-C-Virus simulierten sie, wie dieses Enzym die Doppelhelixstruktur des viralen Erbguts aufbricht und dieses so für die Reproduktion aufbereitet.

Wie eine Raupe kriecht die Hepatitis-C-Helikase dabei über die DNA und trennt die beiden Stränge des Erbgut-Moleküls. Zwei Module des Enzyms heften sich an den einen Strang und schieben sich abwechselnd jeweils um eine Base vorwärts. Das dritte Modul drückt dabei die beiden Stränge auseinander, so die Forscher vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).

Ohne Helikasen keine Vermehrung

Ohne Helikasen könnten Viren sich nicht vermehren. Sie nutzen diese Enzyme, um ihre eigene RNA oder die DNA der Wirtszelle aufzuspalten – einer der wichtigsten Schritte, um ein neues Virus herzustellen. Nach welchem Muster die Helikase dabei etwa im Hepatitis-C-Virus vorgeht, konnten Wissenschaftler bisher nur erahnen – ihre Struktur ist zu komplex, um sie mit Mikroskopen detailliert zu beobachten. Daher entwickeln Biophysiker Computermodelle, um die komplexen Mechanismen der Virenreproduktion zu verstehen.

Arbeitszyklus des Helikase-Enzyms enträtselt

Holger Flechsig und Alexander Mikhailov vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft haben mit einem neuen Modell simuliert, wie die Helikase des Hepatitis-C-Virus die Helixstruktur seines Erbguts aufspaltet. Für ihre Untersuchung nutzten sie ein Modell aus Hepatitis-C-Helikase und DNA.

„Es ist uns gelungen, den vollständigen Arbeitszyklus dieses wichtigen Enzyms mit großer Auflösung zu verfolgen“, so Flechsig. „Auch stimmen unsere Ergebnisse prima mit jenen experimenteller Arbeiten überein, die ebenfalls kürzlich veröffentlich wurden.“ Seine Simulationen bestätigen, was Forscher schon länger vermutet hatten: Das Enzym klettert die DNA Base für Base entlang, indem es sich verformt. Dabei trennt es die beiden Molekülstränge voneinander.

Helikase besteht aus drei Modulen

Das Helikaseenzym besteht aus drei Modulen, die ein Dreieck bilden. In dieses Dreieck fädelt sich ein DNA-Strang. Um die Bindungen zwischen den Basenpaaren der DNA-Doppelhelix aufzuspalten, kriecht die Helikase dann wie eine Raupe den DNA-Strang entlang, wie Flechsigs Berechnungen ergaben. Dabei hangeln sich zwei an dem Strang liegenden Module von Base zu Base, indem sie sich einander nähern und sich wieder voneinander entfernen. Währenddessen drückt das dritte Modul, das sich zwischen den beiden DNA-Strängen befindet, gegen die gegenüberliegende Helixhälfte und bricht die Bindungen zu der Partnerbase auf.

Wie sich in der Simulation nach Angaben der Wissenschaftler auch zeigte, reichte die Energie eines ATP-Pakets genau, um die Bindung zwischen zwei gegenüberliegenden Basen zu brechen und den Schritt zur nächsten Base zurückzulegen.

Punktmasse ersetzt Aminosäure

Wenn die Forscher die Arbeit von Enzymen am Computer nachahmen, ersetzen sie deren Aminosäuren jeweils durch eine Punktmasse und verbinden sie mit Spiralfedern. Bislang konnten sie durch stark vereinfachte Modelle nur näherungsweise bestimmen, wie sich diese Punktmassen in ihren Bewegungen gegenseitig beeinflussen. Sie berechneten zunächst kleinste Abweichungen der Punktmassen von ihrer lokalen Gleichgewichtsposition. Daraus schlossen sie dann auf die globale Verformung des Enzyms. In einigen Fällen lässt diese sich so auch recht gut beschreiben. Für bestimmte Proteine versagen diese vereinfachten Modelle jedoch. Zudem berücksichtigen sie nicht die Wechselwirkungen zwischen Helikase und DNA.

Bald effektivere Therapien gegen viele Krankheiten?

In ihren neuen Berechnungen beschreiben Flechsig und Mikhailov die Wechselwirkungen zwischen den Punktmassen zwar auch durch mechanische Kräfte. Aber sie modellieren, wie sich die Hepatitis-Helikase global verformt und dies, ohne die mathematische Beschreibung der Bewegungen zu vereinfachen. Darüber hinaus beziehen sie die Kräfte zwischen Helikase und DNA ein. Mit dieser Methode rechneten sie aus, wie die Helikase sich mithilfe der aus dem ATP gewonnenen Energie elastisch verformt und wie sie diese Deformation gezielt für ihre Fortbewegung entlang des Erbguts nutzt.

Inzwischen setzen die Berliner Wissenschaftler ihr Modell auch ein um zu verstehen, wie andere Helikasen funktionieren. Denn viele dieser Enzyme weisen strukturelle Gemeinsamkeiten mit der Hepatitis-C-Helikase auf. Und wenn es gelingt, die Virenvermehrung im Allgemeinen besser zu verstehen, lässt dies auf effektivere Therapien gegen viele Krankheiten hoffen.

(doi:10.1073/pnas.1014631107)

(Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, 09.12.2010 – DLO)

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