Das Planetensystem um den Stern HR 8799 dürfte es eigentlich gar nicht geben. Denn in ihm kreisen gleich vier extrem massereiche Planeten, einer davon relativ nahe an seinem Zentralstern. Seine jetzt in „Nature“ veröffentlichte Entdeckung stellt die Astronomie jedoch vor ein Rätsel: Denn keine der beiden gängigen Theorien zur Planetenbildung kann die Entstehung aller vier Gasriesen um HR 8799 erklären.
Seit drei Jahren ist bekannt, dass der Stern HR 8799, auch als V342 Pegasi bezeichnet, überhaupt Planeten besitzt. Der Astronom Christian Marois vom National Research Council Kanadas und seine Kollegen hatten damals mit Hilfe des Gemini-Teleskops und des Keck-Observatoriums auf Hawaii drei massereiche Planeten, HR 8799 b, c und d entdeckt und sie mit als erste Exoplaneten überhaupt, auch im Nahinfrarot fotografiert. Soweit so unspektakulär, angesichts von inzwischen 500 bekannten Exoplaneten.
Neuentdeckter vierter Gasriese torpediert Theorien
Doch jetzt haben Marois und seine Kollegen erneut Bilder vorgelegt, in denen ein weiterer, vierter Planet um HR 8799 sichtbar ist. Die Sensation daran: Dieser vierte Planet, HR 8799e ist mit rund zehn Jupitermassen sehr massereich und trotzdem seinem Zentralstern extrem nah. Er umkreist ihn in einer Entfernung von nur 1,4 astronomischen Einheiten – wenig mehr als die Entfernung der Erde zur Sonne. Das Problem dabei: Die Entstehung dieses kosmischen „Viererpacks“ lässt sich mit den gängigen Planetenbildungs-Theorien nicht mehr erklären.
Langsame Akkretion…
Bisher gehen die Astronomen davon aus, dass ein Planet auf zwei Weisen entstehen kann: Nahe dem heißen Zentrum der „Urwolke“ sind Staub und Gas, aber auch Gesteinsbrocken verschiedenster Größe, reichlich vorhanden. Hier wachsen Planeten langsam heran, durch ständige Kollisionen mit Staub und Brocken. Ist der Protoplanet dann groß genug, zieht seine Schwerkraft Gas aus der Umgebung an und bildet eine Atmosphäre, bei einem Gasriesen die gesamte Gashülle. Dieser Prozess der langsamen Akkretion dauert bei einer Entfernung von etwa zehn astronomischen Einheiten vom Zentrum des Systems rund 3,5 Millionen Jahre.
…oder schneller Kollaps
Eine zweite Theorie der Planetenbildung ist das Gravitations-Instabilitäten-Modell. Nach dieser ist die protoplanetare Scheibe so massereich, dass in ihrem Außenbereich Instabilitäten entstehen. Gas und Staub verdichten sich dadurch lokal stärker, bis sie schließlich kollabieren. Dieser Kollaps führt dann relativ schnell, in nur zehntausenden von Jahren, direkt zur Bildung eines Gasriesen. Voraussetzung für diese Variante ist jedoch, dass die Urwolke relativ kühl ist und nur langsam rotiert.
Das Problem beim Planetensystem HR 8799: Der neu entdeckte innere Planet ist zu groß und massereich, um durch die langsame Akkretion entstanden zu sein. Für seine drei weiter außen kreisenden Mitplaneten gilt dies noch mehr. Andererseits ist HR 8799e aber seinem Stern wiederum zu nah, um durch den schnelleren Gravitationskollaps gebildet worden zu sein. Denn die Urwolke war in diesem Bereich viel zu warm.
Nach Ansicht der Astronomen kommen nun zwei Möglichkeiten in Frage: Entweder alle vier Planeten entstanden deutlich weiter außen und wanderten dann relativ schnell nach innen. Dann aber ist unklar, welche Kräfte die massereichen Planeten bewogen haben sollen, über so große Entfernungen hinweg zu wandern. Umgekehrt könnten die Planeten theoretisch auch alle im Innenbereich der Akkretionsscheibe gebildet worden sein und dann nach außen gewandert sein. Dann allerdings müsste geklärt werden, wie die innere Urwolke Materie für so viele massereiche Planeten beinhalten konnte. Und auch, welche Kraft diese dann nach außen schleuderte.
Die Frage, welches der beiden Szenarien zutrifft, kann bislang noch nicht beantwortet werden. Klar ist nur, dass es die vier Planetenriesen von HR 8799 gibt, die Infrarotaufnahmen beweisen dies eindeutig. Wie sie aber ihre Existenz begannen, bleibt erstmal weiter ungeklärt.
(Nature, 13.12.2010 – NPO)