Der vor einigen Jahren mit viel Medienrummel proklamierte bronzezeitliche Einschlag eines Meteoriten im Chiemgau hat höchstwahrscheinlich nie stattgefunden. Nachdem im Sommer 2010 die Befürworter der Impakt-Theorie einen Artikel in der Fachzeitschrift „Antiquity“ lanciert hatten, protestierten Geologen und Impaktforscher heftig und veröffentlichen nun die Gegenargumente.
Gab es zur Zeit der Kelten einen Meteoriteneinschlag im Chiemgau oder nicht? Seit zwei Jahren wird in Presse, Rundfunk und Fernsehen sowie in einigen populärwissenschaftlichen Medien über „Krater“ im Chiemgau berichtet, die angeblich durch einen Kometen- oder Meteoriteneinschlag entstanden sind. Diese Ansicht wird von einer Gruppe vertreten, die sich CIRT (Chiemgau Impact Research Team) nennt. Demnach zerbrach ein Komet oder Meteorit beim Eintritt in die Atmosphäre in einzelne Fragmente, die beim Aufprall Krater von einigen bis zu hunderten von Metern Durchmesser in einem Umkreis von 30-60 Kilometern erzeugt haben sollen.
Römerstahl und Phaeton-Mythos
Darüber hinaus wurde die Theorie aufgestellt, dass möglicherweise ein Zusammenhang bestünde zwischen dem Einschlagereignis und der Entwicklung von gehärtetem Stahl zur Waffenherstellung durch die damals dort ansässigen Kelten. Der neue Stahl soll den Römern einen militärischen Vorteil gebracht haben, auf der sich die anschließende Ausdehnung ihres Reiches begründen soll. Außerdem solle auch der griechische Mythos des Phaeton direkt durch den Impakt im Chiemgau angeregt worden sein.
Für Uwe Reimold, Professor für Mineralogie am Museum für Naturkunde in Berlin, der für eine Gruppe von über 20 international angesehenen Meteoriten-Krater-Krater spricht, fehlt diesen Theorien die entscheidende Voraussetzung: „Die Grundlage dieser Argumentationskette, der Einschlag eines extraterrestrischen Körpers auf der Erde, konnte bislang in keiner Weise durch wissenschaftliche Beweise belegt werden.“ Auch von gelogischer Seite gibt es keine Beweise, die ein Einschlags-Katastrophenszenario belegen. Gleicher Ansicht sind auch Martin Rundkvist von der Universität von Chester in England und Robert Huber vom MARUM – Zentrum für marine Umweltforschung.
Toteisseen statt Einschlagsfolgen
So wurde in der Geologie ein glazialer Ursprung des Chiemsees und des Tüttensees bereits relativ eindeutig belegt. Dass der Tüttensee seinen Ursprung in einem glazialen Toteissee hat, könne man leicht an den ausgeprägten morphologischen Merkmalen und den fluvioglazialen Ablagerungen in den Hügeln der Umgebung feststellen, so Reimold. Hinzu kommt, dass die Sedimente des Sees und einige Moorabschnitte am Seeufer eine kontinuierliche Entwicklung und ungestörte Ablagerung zeigen. Hinweise auf eine Tusnami und die dabei entstehenden typischen Ablagerungen fehlen dagegen.
Nach Ansicht von Rundkvist und Co. fehlen zudem eindeutige Impaktspuren in den vermeintlichen Kratern. Typische Kriterien sind bei kleinen Kratern mit Durchmessern kleiner als 500 Metern Reste des meteoritischen Einschlagskörpers – meist nickelreiches Eisen, aufgeschmolzenes Gestein oder durch den hohen Druck veränderte Mineralien im Gestein. Uwe Reimold: „Keiner dieser Beweise konnte bislang für die vermeintlichen „Krater“ im Chiemgau erbracht werden.“
Streufeld zu groß um wahr zu sein
Im Fall von Kraterfeldern soll die Streuung der einzelnen Krater nach gängier Lehrmeinung nur maximal wenige Kilometer betragen. Ein Streufeld von 30-60 Kilometern Durchmesser, wie im Chiemgau postuliert, sei daher höchst unrealistisch. Kometen, die überwiegend aus Eis bestehen und damit eine weit geringere Festigkeit aufweisen als Eisen- oder Steinmeteorite, können die beobachteten kleinen „Krater“ nicht erzeugt haben, weil sie aufgrund der geringen Festigkeit und der geringen Größe vollständig zerplatzen oder verdampfen und daher die Erdoberfläche als feste Körper nicht erreicht hätten.
Zusammengefasst konstatieren die Forscher, gebe es keine überzeugenden geologischen Hinweise für eine Impaktkatastrophe im Chiemgau und wenige Geologen außerhalb des CIRT sind von dieser These überzeugt. Allen publizierten Arbeiten des CIRT gemeinsam sei zudem ein Fehlen von grundlegenden Informationen – zum Beispiel wo genau geologische Belege gewonnen wurden und wie man diese Stellen auffinden kann. Ob sich die Impakt-Befürworter von solchen Vorwürfen davon abhalten lassen weiterzumachen, ist allerdings fraglich.
(Naturkundemuseum Berlin, Rundkvist et al., 17.12.2010 – NPO)