Astronomie

Krebsnebel: kosmische „Standardkerze“ flackert

Dramatische Gammastrahlenausbrüche im Nebel sprengen astrophysikalische Grundannahmen

Krebsnebel: Wie entstehen seine Gamastrahlenausbrüche? © NASA, ESA, CXC, JPL-Caltech

Bisher galt die Strahlung des Krebsnebels, eines Supernova-Relikts, als so konstant, dass sie als Referenzwert diente. Doch jetzt berichten Astrophysiker in „Science“ von gleich mehreren dramatischen Gammastrahlenausbrüchen im Krebsnebel – die Standardkerze flackert. Und dies mit einer so hohen Intensität, dass alle bisherigen Modelle der kosmischen Teilchenbeschleunigung sie nicht erklären können.

Der Krebsnebel liegt 6.500 Lichtjahre von der Erde entfernt. Vor 957 Jahren leuchtete er von der Erde aus gesehen stark auf, eine Supernova ereignete sich, die den Nebel und in seiner Mitte einen Pulsar hinterließ. Dieser rotierende Neutronenstern im Zentrum des Krebsnebels ist unter anderem die Quelle von hochenergetischen Elektronen und Positronen. Die Strahlung des Krebsnebels gilt über das gesamte elektromagnetische Spektrum als so konstant, dass sie den Referenzwert für andere astronomische Quellen bildet.

Zumindest am höchsten Ende des Spektrums, der Gammastrahlung, muss die nützliche Eigenschaft des Krebsnebels als Standardkerze nun revidiert werden: Im September 2010 haben das AGILE Teleskop der Italienischer Raumfahrtagentur und das Fermi Gammastrahlen-Weltraumteleskop der NASA dramatische Intensitätsveränderungen in der Gammastrahlung des Krebsnebels beobachten können. Fermi konnte einen ebensolchen Gammastrahlenausbruch bereits im Februar 2009 verzeichnen.

Pulsar ist nicht die Strahlenquelle

Woher aber stammt diese Strahlung? Seltsamerweise gab es während dieser beiden Ausbrüche keinerlei Anzeichen für Veränderungen am Kerbnebelpulsar – eigentlich der naheliegenden Quelle so gewaltiger Energiemengen. Die dramatischen Gammastrahlenausbrüche erreichen Stärken im Gigaelektronenvolt-Bereich. Eine Gammastrahlenintensität in dieser Größenordnung bedeutet aber, dass die zugrundeliegenden Elektronen und Positronen bei den typischen Magnetfeldstärken im Krebsnebels mindestens auf Petaelektronenvolt-Energie beschleunigt worden sein müssen. Dies ist ein neuer Superlativ – es sind damit die höchstenergetischen geladenen Teilchen, die mit einem bekannten astronomischen Objekt in Beziehung gebracht werden können.

Energieintensität sprengt sämtliche Modelle

Doch genau diese Energieintensität ist das Rätselhafte: da der Pulsar nicht die Quelle zu sein scheint, müssen die Gammastrahlen aus dem Nebel selbst stammen. Da die beobachteten Intensitätsschwankungen innerhalb von nur wenigen Tagen stattfanden, vermuten die Astrophysiker, dass die Energie dabei aus einem verhältnismäßig kleinen Gebiet im Krebsnebel stammen muss. Die bislang bekannten Mechanismen können diesen Prozess jedoch nicht erklären.

„Unsere Vorstellungen, wie ein derart immenser Energiegewinn in solch kleinen Gebieten realisiert werden können, müssen jetzt neu hinterfragt werden“, erklärt Olaf Reimer Astrophysiker der Universität Innsbruck und Forscher in der Fermi Large Area Telescope (LAT) Kollaboration. „Die Zeitskalen der Strahlungsausbrüche sind dergestalt, dass die Elektronen einfach nicht genug Zeit hatten, auf ihrer Bewegung entlang der Magnetfeldlinien zu derartigen Energien beschleunigt zu werden.“

Ende einer Epoche

Nach diesen Beobachtungen steht in jedem Fall fest, dass der Krebsnebel, die erste Quelle, die einst am Himmel im Lichte der energiereichsten Gammastrahlung entdeckt wurde, nicht mehr vorbehaltlos als Referenz genutzt werden kann. Wenn solche Standardkerzen flackern, deutet sich das Ende einer Epoche an. Offenbar gibt es in der Erforschung der Hochenergiephänomene am Himmel mehr Lücken, als bisher angenommen.

Was bleibt, ist nun die Suche nach besseren Modellen der „kosmischen Teilchenbeschleuniger“. Sie müssen nun erklären, wie Teilchen im Krebsnebel zu den beobachteten Energien gelangen können. Erste Vermutungen gehen davon aus, dass der Krebsnebelpulsar mit seinem intensiven Magnetfeld mit zur Beschleunigung beiträgt. Wie dies genau passiert, ist aber noch unklar.

(Science/ DOE/SLAC/ Universität Innsbruck, 07.01.2011 – NPO)

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