Der bisher verborgenen Beinrest einer fossilen Schlange enthüllt, wie die Schlangen im Laufe der Evolution ihre Gliedmaßen verloren. Hochauflösende dreidimensionale Röntgenbilder der Beinreste zeigen eine innere Architektur, die denen der heutigen Eidechsen ähnelt. Die bereits fußlosen Beine befanden sich offenbar mitten im Reduktionsprozess. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Journal of Vertebrate Paleontology“ veröffentlichten Ergebnisse werfen auch ein neues Licht auf die umstrittene Herkunft der Schlangen.
Wie verloren die Schlangen ihre Beine im Verlauf der Evolution? Stammen die heutigen Schlangen von landlebenden Urzeitreptilien ab, die im Laufe der Zeit ihre Beine reduzierten, oder gehen sie möglicherweise auf Meerestiere zurück, die nach Verlust ihrer Beine wieder an Land kamen? Die zurzeit favorisierte Theorie besagt, dass die ersten Schlangen aus Waran-ähnlichen Reptilien hervorgingen. Die meisten fossilen Vertreter dieser Gruppe lebten allerdings im Wasser. Der Annahme, dass diese wasserlebenden Warane direkte Vorfahren der Schlangen sind, steht allerdings eine andere entgegen, die den Ursprung der Schlangen in im Schlamm oder Boden grabenden Formen sieht.
Fossile Schlange mit Beinstummel
Mit neuer Röntgentechnologie hat eine internationale Forschergruppe unter Leitung von Alexandra Houssaye vom Museum National d’Histoire Naturelle (MNHN) in Paris in dieser Frage nun entscheidende Hinweise erhalten. In ihrem Experiment untersuchten die Forscher eine fossile Schlange der Art Eupodophis descouensi, deren 95 Millionen Jahre alte, versteinerte Überreste vor zehn Jahren im Libanon entdeckt wurden. Weltweit sind nur drei Exemplare eines Schlangenfossils mit erhaltenen Beinknochen bekannt, dazu gehört auch diese Art. Die etwa 50 Zentimeter lange Schlange trägt am Hüftkorb ein kleines, zwei Zentimeter langes Bein.
Hinterbein im Reduktionsprozess „erwischt“
Dieses Detail verleiht dem Fossil eine Schlüsselstellung zum Verständnis der Schlangenevolution, da es eine entwicklungsgeschichtliche Zwischenstellung darstellt. Da nur ein Bein an der Oberfläche des Fossils sichtbar ist, vermuteten die Wissenschaftler ein zweites, verstecktes Bein in der Steinplatte. Dieses konnten sie nun tatsächlich mittels Synchrotronstrahlung nachweisen und in allen Details abbilden.