Geowissen

Sedimentwellen als „fossiler Seismograph”

Wellenmuster im Untergrund helfen bei der Identifizierung lang vergangener Beben

Aufzeichnungen aus Seismographen reichen nur etwas mehr als 100 Jahre zurück © American Friends of Tel Aviv University

Ein zunächst rätselhaftes Wellenmuster im Sediment hat sich als Indiz für vergangene Erdbeben entpuppt – und damit als vielversprechende Möglichkeit, auch weit zurückliegende Beben zu identifizieren. Der von Forschern am Toten Meer entdeckte und mittels Modellrechnungen entwickelte „fossile Seismograph“ wird jetzt in der Fachzeitschrift „Geology“ vorgestellt. Er könnte dazu beitragen, die Erdbebenhäufigkeit für bestimmte Gebiete besser als zuvor einschätzen zu können.

Erdbeben sind trotz ihrer großen Häufigkeit noch immer eines der größten Rätsel unseres Planeten. Denn noch immer ist es unmöglich, Ort und Zeit des nächsten Bebens genau vorherzusagen. Warnzeichen wie Vorbeben oder winzige Veränderungen im Gestein signalisieren zwar, wo sich Spannung aufbaut, nicht aber, wann genau sie sich entlädt. Manchmal erlaubt die Abfolge vergangener Ereignisse eine Einschätzung, in welchem Abstand und in welcher Häufigkeit an einem Ort Beben auftreten. Doch die Daten dazu sind rar.

Wellenphänomen im Sediment

Shmuel Marco, Professor für Geophysik an der Universität von Tel Aviv University und sein Team könnten nun jedoch eine Methode gefunden haben, wie sich Beben in der weiter zurückliegenden Vergangenheit identifizieren lassen. Ausgangspunkt ihrer Forschungen war ein seltsames „Wellenphänomen“, das dem Forscher im Sediment der Region am Toten Meer auffiel. An einigen Stellen schien es, als wenn die normalerweise sehr stabil geordneten Sedimentschichten durcheinander geraten waren: Schwerere Sediment von unten ragten teilweise wellenförmig in die darüber liegenden leichteren Sedimente hinein. Aber warum?

Marco, sein Kollege Eyal Hefetz und seine Mitarbeiterin Nadav Wetzer analysierten die Wellen in den Sedimentschichten daraufhin genauer. Es zeigte sich, dass deren Form den Wellen der so genannten „Kelvin-Helmholtz Instabilität“, wie beispielsweise bei Wolkenformationen zu sehen sind, ähnelten. Sie entstehen durch bestimmte Luftströmungen. Hier jedoch, so glauben die Wissenschaftler, könnten die seismischen Erschütterungen durch Erdbeben das Wellenmuster ausgelöst haben.

Shmuel Marco an einem Sedimentaufschluss © Tel Aviv University

Wellenmuster als Messlatte für vergangene Beben

„Die seismologischen Daten zu Erdbeben reichen nur rund ein Jahrhundert zurück“, erklärt Marco. „Unser neuer Ansatz erforscht das Wellenmuster, mit dem schwere Sedimente in die leichteren, darüber liegenden hineinragen – sie sind eine Messlatte um die Auswirkungen vergangener Beben zu ermitteln.“ Anhand der Geometrie der gefundenen Wellen, Modellen der Grundprinzipien der Reibung und weiterer Parameter, gelang es ihnen, aus den Wellenformen die zeitliche und räumliche Verteilung von Erdbeben im Gebiet des Toten Meeres zu rekonstruieren. Sie stellten zudem fest, dass mit steigender Erdbebenstärke auch die Fragmentierung der Wellenmuster zunimmt, so dass auch eine Einschätzung der Magnitude möglich ist.

„Fossiler Seismograph“ funktioniert nur mit Wasseranschluss

„Damit haben wir das Beobachtungsfenster über die letzten hundert Jahre hinaus vergrößert und, wenn Sie so wollen, einen ‚fossilen Seismographen‘ kreiert“, so Marco. Allerdings funktioniert diese Methode nur dort, wo Erdbebenzonen direkt mit Gewässern – einem See oder dem Meer – in Verbindung stehen. Denn nur dort entstehen diese typischen Wellenmuster. Ein möglicher Ort zum Ausprobieren der Technik wäre beispielsweise der Salton Sea in Colorado. Diese meist mehr oder weniger wassergefüllte Senke liegt direkt an der San Andreas Verwerfung und damit einem tektonisch aktiven Gebiet. (Geology, 2010; DOI: 10.1130/G30685.1)

(Tel Aviv University, 23.03.2011 – NPO)

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