Umwelt

Ozonschwund erhöht Sonnenbrandgefahr

Kurze Phasen höherer UV-Strahlung auch in Mitteleuropa möglich

Polare stratosphärische Wolke in der Arktis © Ross J. Salawitch / University of Maryland

Der ohnehin schon beispiellose Schwund der arktischen Ozonschicht in diesem Jahr hat sich seit Mitte März weiter verstärkt. Dies gaben Atmosphärenphysiker gestern auf einer internationalen Pressekonferenz der „World Meteorological Organisation (WMO)“ in Wien bekannt.

„Derart massiven Ozonverlust wie in diesem Frühjahr gab es bisher über der bis in hohe Breitengrade dicht besiedelten nördlichen Hemisphäre nicht”, beschreibt Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung die aktuelle Situation.

Der Ozonabbau über der Arktis bewirkt eine erhöhte Belastung mit ultravioletter Strahlung am Erdboden. Aufgrund des niedrigen Sonnenstands in der Arktis ist diese dort normalerweise kein Problem. Wenn allerdings die vom Ozonabbau betroffenen Luftmassen südwärts über Mitteleuropa, Südkanada, USA oder das zentrale asiatische Russland driften, kann die dann dort auftretende Intensität der UV-Strahlung bei empfindlichen Menschen innerhalb von Minuten zu einem Sonnenbrand führen – selbst im April, warnen die Forscher.

Ozonarme Luftschichten driften ostwärts

In der vergangenen Woche haben sich die ozonarmen Luftschichten etwa vom Nordpol bis nach Südskandinavien erstreckt und dort an sonnigen Tagen bereits zu erhöhter ultravioletter Strahlung geführt. Gegenwärtig driften sie den Beobachtungen der Wissenschaftler zufolge ostwärts, werden in den kommenden Tagen über Teilen Russlands liegen und in ihrer südlichen Ausdehnung eventuell sogar bis zur chinesisch-russischen Grenze vordringen.

Die in der Arktis vom Ozonverlust betroffenen Luftschichten können in den nächsten Wochen aber auch über Mitteleuropa driften und dabei bis zum Mittelmeerraum vorstoßen. Ob und wann so eine Situation eintritt, kann nach Angaben der Wissenschaftler nur kurzfristig vorhergesagt werden. Die aktuellen UV-Prognosen der regionalen Wetterdienste sollten deshalb in den nächsten Wochen beachtet werden. Wenn es zu Episoden erhöhter UV-Intensität kommt, werden diese jeweils aber nur wenige Tage andauern. In dieser Zeit ist ausreichender Sonnenschutz wichtig, vor allem für Kinder, betonen die Forscher.

Übermäßige Sorge unnötig

„Die erwartete UV-Intensität während dieser kurzen Episoden liegt dann aber immer noch in dem Bereich, dem wir im Hochsommer ohnehin ausgesetzt sind und weit unterhalb der Werte, die bei Urlaubsreisen in die Tropen auftreten. Übermäßige Sorge ist daher unnötig”, so Rex. „Das Problem ist, dass die meisten Menschen so früh im Jahr noch nicht mit einem schnell auftretenden Sonnenbrand rechnen und daher den Sonnenschutz weniger ernst nehmen als im Hochsommer oder im Urlaub.” Jeder Sonnenbrand erhöht das Risiko, im Verlauf des Lebens an Hautkrebs zu erkranken. Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt für Kinder.

Rex´ Kollege Esko Kyrö vom Arktischen Forschungszentrum des Finnischen Meteorologischen Instituts ergänzt: „Bei ausreichendem Sonnenschutz ist es auch in Phasen geringer stratosphärischer Ozonkonzentrationen sicher und sogar gesund, sich ganz normal im Freien zu bewegen. Gerade in den nordischen Ländern neigen Menschen nach den langen, dunklen Wintern zu Vitamin D-Mangel, und Sonnenlicht ist die wichtigste natürliche Quelle für die körpereigene Bildung dieses Vitamins.”

Erhöhte Intensität der UV-Strahlung

Die tatsächliche UV-Strahlung am Erdboden wird den Atmosphärenphysikern zufolge von vielen Faktoren beeinflusst, zum Beispiel von Wolken und von Aerosolen in der Luft. „Alles in allem wird der Ozonschwund über der Arktis in den hohen Breiten der nördlichen Hemisphäre aber definitiv zu einer erhöhten Intensität der UV-Strahlung führen”, bekräftigte Rex gestern auf der Pressekonferenz der WMO.

Die Luftmassen mit besonders niedriger Ozonkonzentration werden sich im Verlauf des Frühjahrs auf der Nordhemisphäre aber durchmischen, so die Forscher. Die Ozonkonzentration der Stratosphäre bleibt im Frühjahr und Frühsommer dann etwas niedriger als gewöhnlich, der Effekt ist wegen der großen Verdünnung allerdings nur noch sehr gering.

Arktische Ozonschicht ist verwundbar

Grund für den Ozonschwund ist ein ungewöhnliches Phänomen. Denn die arktische Stratosphäre ist in diesem Winter extrem kalt. Dadurch verwandeln sich die Abbauprodukte von menschengemachten Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW)in aggressive ozonzerstörende Substanzen. Seit Mitte März hat sich der Ozonschwund zudem durch die Rückkehr des Sonnenlichts, das am chemischen Abbau von Ozon beteiligt ist, weiter verstärkt.

Der gegenwärtige Ozonschwund über der Arktis ist der schwerwiegendste seit Beginn der Aufzeichnung von Ozonkonzentrationen mit modernen Messinstrumenten. Die Befunde basieren auf einem internationalen Netzwerk von 30 Ozonsondierungsstationen rund um die Arktis und Subarktis, deren Messungen vom Alfred-Wegener-Institut koordiniert werden.

AWI-Forscher Rex: „Die gegenwärtige Situation zeigt deutlich, wie verwundbar die arktische Ozonschicht bei dem Auftreten tiefer Temperaturen ist und wie wichtig es daher ist, ein engmaschiges Netz an Beobachtungsstationen in hohen Breiten aufrechtzuerhalten.“

Kalte Winter immer eisiger

Im Bereich der arktischen Ozonschicht hat die Häufigkeit kalter Winter seit Mitte des letzten Jahrhunderts zwar eher etwas abgenommen, die Bedingungen während dieser kalten Winter sind aber immer eisiger geworden und haben solch schwerwiegenden Ozonverlust in der Arktis erst ermöglicht. „Der aktuelle Winter setzt die Entwicklung eindrucksvoll fort, der nicht im Widerspruch zur globalen Klimaerwärmung steht.“, erläutert Atmosphärenforscher Rex einen nur auf den ersten Blick paradox erscheinenden Zusammenhang.

„Vereinfacht gesagt halten steigende Treibhausgaskonzentrationen die Wärmestrahlung der Erde in tieferen Luftschichten zurück und erwärmen diese. In die darüber gelegene Stratosphäre gelangt weniger der wärmenden Strahlung, dort kommt es dann zu einer Abkühlung. Daher beobachtet man parallel zur Erwärmung des Klimas am Boden eine Abkühlung der Stratosphäre“. Diese findet ausgerechnet im Bereich der Ozonschicht statt und bewirkt offensichtlich die nun beobachtete Verstärkung des Ozonabbaus.

Ozonschicht auf dem Weg der Besserung

„Die komplizierten Details der Wechselwirkungen zwischen der Ozonschicht und Klimaänderungen sind jedoch nicht verstanden und Gegenstand aktueller Forschungsprojekte“, so Rex. Die Europäische Union beteiligt sich an der Finanzierung dieser Arbeiten im Projekt RECONCILE, ein mit 3,5 Millionen Euro unterstütztes Forschungsprogramm in dem 16 Forschungsinstitutionen aus acht europäischen Staaten an einem verbesserten Verständnis der arktischen Ozonschicht arbeiten.

Langfristig wird sich die Ozonschicht durch umfangreiche umweltpolitische Maßnahmen zu ihrem Schutz den Wissenschaftlern zufolge erholen. An dieser Erwartung ändert auch der nun beobachtete Rekordozonabbau in der Arktis nichts. „Durch die langfristige Wirkung des Montrealer Protokolls wird nennenswerte Ozonzerstörung ab der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts nicht mehr auftreten“, erläutert Rex.

Montrealer Protokoll

Das Montrealer Protokoll ist ein 1987 unter dem Dach der UNO verabschiedetes internationales Abkommen zum Schutz der Ozonschicht, welches inzwischen die Produktion der ozonzerstörenden FCKW weltweit praktisch verbietet. Die bereits freigesetzten FCKW werden allerdings erst in vielen Jahrzehnten wieder aus der Atmosphäre verschwunden sein.

Bis dahin hängt das Schicksal der arktischen Ozonschicht wesentlich von der Temperatur in etwa 20 Kilometer Höhe ab und ist damit an die Entwicklung des Klimas gekoppelt.

(Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 06.04.2011 – DLO)

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