Emotional wichtige Geräusche wie Kinderlachen oder ein knurrender Hund werden vom Gehirn fast von Anfang an „auf der Überholspur“ verarbeitet. Das zeigte eine Studie, in der es Forschern mittels einer neuen Methode erstmals gelang, dem Gehirn ohne störende Untersuchungsgeräusche beim Hören zuzusehen. Die Aufnahmen enthüllten, dass schon das Hörzentrum und nicht erst der Mandelkern die „Sortierung“ der Geräusche übernimmt.
Dauernd strömen unzählige Geräusche und Bilder aus der Umgebung über die Sinnesorgane in das menschliche Gehirn. Damit der Mensch nicht hoffnungslos überfordert ist, muss das Gehirn die relevanten Reize herausfiltern. Das Gehirn konzentriert sich deshalb auf Reize, die besonders bedeutsam für das Überleben und Funktionieren sind, und bearbeitet diese Eindrücke bevorzugt.
Diese emotional bedeutsamen Reize, beispielsweise ein Kinderlachen oder ein bedrohlich knurrender Hund, führen dazu, dass sich der Mensch entweder annähern oder distanzieren möchte.
„Das ist ein evolutionär sinnvoller Mechanismus, der uns schneller reagieren lässt. Bei einer Bedrohung können wir schneller flüchten und müssen nicht erst darüber nachdenken, was das genau für ein Geräusch ist“, erklärt Georg W. Alpers, Professor für Klinische und Biologische Psychologie an der Universität Mannheim. Die Studie der Mannheimer Psychologen zeigt nun erstmals, dass das Gehirn auch bei der Wahrnehmung von emotional bedeutsamen Geräuschen verstärkt aktiv ist.
Geräuschloses Nah-Infrarotlicht statt lautem MRT
Die Forscher untersuchten das Phänomen, indem sie 17 Probanden sechzig unterschiedliche Geräusche vorspielten. Davon hatten zwanzig Geräusche eine positive emotionale Bedeutung, etwa ein ausgelassenes Lachen, zwanzig Geräusche hatten eine negative Bedeutung, wie ein Schmerzschrei, und zwanzig Geräusche waren neutral, wie beispielsweise ein fahrender Zug in der Ferne. Um die Gehirnaktivität bei der Geräuschwahrnehmung aufzeichnen zu können, nutzen die Wissenschaftler die Nah-Infrarot Spektroskopie, eine besondere Bildgebungstechnologie, die im Gegensatz zum herkömmlichen Verfahren der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) geräuschlos arbeitet.
„Das Nah-Infrarotlicht leuchtet durch biologisches Gewebe hindurch, lediglich das sauerstoffreiche und das sauerstoffarme Hämoglobin (Blutfarbstoff) absorbiert das Licht“, erklärt Michael Plichta von der Universität Tübingen. Diese Eigenschaft des Lichts nutzen die Wissenschaftler: Wenn eine Aktivierung des Gehirns stattfindet, verbrauchen die Zellen in den beteiligten Hirnarealen Sauerstoff. Um den Verbrauch zu kompensieren, transportiert das Gehirn an diese Stellen sauerstoffreiches Blut. Diese Konzentrationsveränderungen von sauerstoffreichem und –armen Blut messen die Forscher anhand des reflektierten Nah-Infrarotlichts.
Schon Hörzentrum schickt Wichtiges auf die Überholspur
Das Ergebnis: Die emotional wichtigen Geräusche werden schon früh erkannt und von Anfang an gesondert verarbeitet. „Das Außerordentliche dabei ist, dass das Hirn schon auf ganz frühen Verarbeitungsstufen zwischen neutralen und emotional bedeutsamen Geräuschen unterscheidet. Schon das Hörzentrum spricht besonders auf emotional bedeutsame Geräusche an“, so Antje Gerdes, eine der Autorinnen.
Bisher ging man davon aus, dass im Hörzentrum zunächst nur analysiert wird, ob das Geräusch laut oder leise, eine hohe oder niedrige Frequenz hat und das Gehirn erst auf höheren Verarbeitungsstufen, etwa im Emotionsverarbeitungszentrum (Amygdala), dem Reiz positive oder negative Eigenschaften zuordnet. Auf Grundlage dieser Studie will das Forscherteam zukünftig untersuchen, ob die verstärkte Verarbeitung der emotional bedeutsamen Geräusche im Hörzentrum zu einer objektiv besseren Hörleistung führen. Außerdem möchten sie die spezifische Bedeutung der unterschiedlichen Geräusche für die Probanden erforschen. (NeuroImage, 2011; doi:10.1016/j.neuroimage.2011.01.011)
(Universität Mannheim, 15.04.2011 – NPO)