Ein „Strömungsleck” im Agulhas-Strom vor der Südspitze Afrikas transportiert immer mehr warmes Wasser aus dem Indischen Ozean in den Atlantik. Dies beeinflusst die Meereszirkulation im Atlantik und damit auch das globale Klima mehr als gedacht, das hat ein internationales Forscherteam jetzt festgestellt. Wie sie in „Nature“ berichten, könnten sich dadurch auch Prognosen des IPCC für Nordamerika und Europa als falsch erweisen.
Der Agulhas-Strom transportiert warmes, salziges Wasser aus dem tropischen Indischen Ozean entlang der Ostküste Afrikas bis an die Südspitze des Kontinents. Hier wird ein Großteil des Wassers in einem Bogen wieder zurück in den Indischen Ozean geleitet, doch dieser Strömungsbogen hat ein „Leck“: Ein Teil des warmen Wassers fließt in den Atlantik und gelangt im Laufe der Zeit bis zur Nordhalbkugel. Dieses Leck ist immer dann besonders groß, wenn der in dieser Region vorherrschende Westwindgürtel weiter nach Süden wandert und kleiner, wenn die Westwinde eher nördlich liegen und den Durchgang so blockieren.
Veränderungen im Strömungsleck heizten schon Eiszeiten ein
Klimaprognosen sagen voraus, dass sich im Zuge der globalen Erwärmung auch die Windmuster ändern und der Westwindgürtel weiter nach Süden verschieben könnte. Welche Auswirkungen dies auf die Meeresströmungen und speziell das Agulhas-Leck hätte, hat jetzt ein internationales Forscherteam anhand von paläoklimatischen Daten und Modellen genauer untersucht.
Die Rekonstruktionen der vergangenen Entwicklung zeigen, dass während der Kaltperioden der Eiszeiten das Leck im Agulhas-Strom nur sehr gering war: Es strömte wenig warmes Wasser in den Atlantik. Gegen Ende der Vereisungen nahm dieser Einstrom jedoch wieder deutlich zu und war in den Warmzeiten relativ stark. Nach Ansicht der Forscher belegt dies, dass das Agulhas-Leck eine Rolle für die schnelle Erwärmung des Klimas am Ende der Eiszeiten gespielt haben könnte.
Und auch in der Gegenwart tut sich etwas: Satelliten- und hydrografische Daten belegen, dass sich der Agulhas-Strom seit der 1960er Jahre nach Süden hin ausdehnt und erwärmt. Als Folge einer Südwärts-Wanderung des Westwindgürtels gelangt auch mehr warmes Wasser durch das Leck in den Atlantik, wie Auswertungen der Strömungsringe und Turbulenzen an Afrikas Südspitze zeigen.
Erwärmung statt Abkühlung im Nordatlantik?
Diese Ergebnisse sind alarmierend, denn sie illustrieren, wie stark der Klimaeffekt dieses Strömungslecks sein kann. Zum anderen aber zeigen sie, dass sich in den letzten Jahrzehnten hier deutliche Veränderungen ergeben haben, die bisherigen Prognosen zur Klimaentwicklung über dem und im Nordatlantik in Frage stellen. „Das könnte bedeuten, dass die aktuellen IPCC-Modellprognosen für das nächste Jahrhundert falsch sind und es keine Abkühlung des Nordatlantiks geben wird, die die Auswirkungen des Klimawandels für Nordamerika und Europa abpuffern und teilweise ausgleichen könnte“, erklärt Lisa Beal, Professorin an der Rosenstiel School of Marine & Atmospheric Science der Universität Miami. „Stattdessen stabilisiert das zunehmende Agulhas-Leck den Wärmetransport durch die Atlantische Umwälzzirkulation.“
Das im Zuge des Klimawandels zunehmende Abschmelzen von Küstengletschern und der damit verbundene Einstrom von Süßwasser schwächt diese Umwälzzirkulation zwar ab, die unter anderem den Golfstrom Richtung Europa lenkt. Nach Ansicht der Forscher könnte dieser Effekt jedoch zumindest in Teilen durch den unerwartet erhöhten Zustrom warmen Wassers von Süden her gedämpft werden.
Lokale Veränderung – globale Auswirkung
„Diese Studie zeigt, dass lokale Veränderungen in atmosphärischen und ozeanischen Bedingungen der Südhalbkugel die Stärke der Meeresströmungen in unerwarteter Weise beeinflussen können“, kommentiert Eric Itsweire, Direktor des Meeresforschungsprogramm der National Science Foundation (NSF). „In einem sich erwärmenden Klima bringt das Agulhas-System nahe der Südspitze von Afrika warmes, salziges Wasser aus dem Indischen in den Atlantischen Ozean und wirkt so den Effekten des arktischen Ozeans entgegen.“
Noch aber ist das genaue Ausmaß dieser Effekte unklar und es sind weitere Modellierungen und Studien nötig, um die Rolle des Agulhas-Systems für den Klimawandel zu verstehen, wie die Beal und ihre Kollegen betonen. „Unser Ziel ist es jetzt, einen größeren Teil der wissenschaftlichen Gemeinschaft in die Erforschung des Agulhas-Systems und seiner globalen Effekte mit einzubeziehen“, so die Forscherin. „Der Schwerpunkt lag zu lange nur im Nordatlantik.“ (Nature, 2011; doi:10.1038/nature09983)
(University of Miami Rosenstiel School of Marine & Atmospheric Science, 28.04.2011 – NPO)