Klima

Gashydrat-Schmelze verstärkt die Ozeanversauerung

Klimabedingte Methan-Freisetzung kommt langsamer, hat aber schlimmere Folgen für Meeresökologie als gedacht

Gashydrate © USGS

Meeresforscher haben eine gute und eine schlechte Nachricht für unsere Zukunft: Die Gute: In den nächsten hundert Jahren ist noch kein erhöhter Ausstoß von Methan aus dem im Meeresboden eingelagerten Gashydrat zu befürchten. Die schlechte Nachricht: Das austretende Klimagas verstärkt die Ozeanversauerung stärker als bisher angenommen. Besonders die bisher in den als wenig gefährdeten bodennahen Wasserschichten lebenden Korallen und Schalentiere wäre davon betroffen, so die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“.

Bereits seit einigen Jahren warnen Wissenschaftler davor, dass Methanhydrate, die als Eis im Meeresboden lagern, infolge der Erderwärmung „auftauen“ könnten. Dadurch würde das starke Treibhausgas Methan vermehrt in die Atmosphäre gelangen und den Klimawandel weiter antreiben. Jetzt haben Forscher vom Leibniz- Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in Kiel den Effekt der Meeresströmungen auf die Erwärmung des Meeresbodens in der Arktis erstmals genauer quantifiziert und seine Auswirkungen berechnet. In ihrer Studie haben die Kieler Experten erstmals Modellierungen über Vergangenheit und Zukunft mit Berechnungen zur Gashydrat-Stabilitätszone (GHSZ) zusammengeführt, in der unter hohem Druck und niedrigen Temperaturen aus Methangas feste Gashydrate entstehen.

Keine erhöhten Methanaustritte in den nächsten hundert Jahren

Mit ihren Ergebnissen geben sie – bedingt – Entwarnung: „Unsere Berechnungen mit verschiedenen Computermodellen zeigen deutlich, dass dem Klima in den nächsten hundert Jahren keine zusätzliche Gefahr durch erhöhte Methanaustritte droht“, fasst Arne Biastoch, der Hauptautor der Studie, zusammen. „Die Gashydrate lösen sich mit einer zeitlichen Verzögerung auf, so dass eher in zwei- bis dreihundert Jahren mit Folgen zu rechnen ist – ein Zeitraum, über den sich heute wenig Definitives sagen lässt. Diese Langzeitwirkungen sollten wir bei der Diskussion über Klimaänderungen berücksichtigen. Aber wir sollten die Situation nicht dramatisieren.“

Karte der Ozeantemperaturen am Meeresboden heute und in 100 Jahren. © Biastoch et al., IFM-GEOMAR

Alarm in punkto Versauerung

Alarm schlagen die Forscher jedoch mit Blick auf „das andere CO2-Problem“: die Ozeanversauerung. Bisher wurde hauptsächlich betrachtet, dass das Meerwasser Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre aufnimmt. Chemische Reaktionen führen dazu, dass der pH-Wert des Wassers sinkt. Vor allem das kalte Wasser in den nördlichen Breiten, das besonders viel CO2 aufnimmt, wird dadurch schnell korrosiv. Die Folge: Korallen, Muscheln, Schnecken oder Plankton, können ihre Kalkschalen nicht

mehr wie bisher aufbauen.

Bewohner bodennaher Schichten besonders betroffen

Bereits eine geringe Methanhydrat-Schmelze beschleunigt dieses Phänomen: „Wir gehen davon aus, dass nach hundert Jahren etwa zwölf Prozent des im Meeresboden eingelagerten Methans freigesetzt wird“, so Meeresforscher Lars Rüpke. „Weiter nehmen wir an, dass rund die Hälfte davon noch am Grund von hoch spezialisierten Mikroorganismen aufgenommen und so wiederum als fester Stoff abgelagert wird.“, ergänzt Tina Treude. „Der Rest des Gases könnte jedoch direkt in die Atmosphäre aufsteigen oder nach mikrobiellem Abbau zu CO2 im Meerwasser den pH-Wert verringern. Dadurch könnte der pH-Wert des Arktischen Ozeans doppelt so schnell sinken als bisher angenommen – und zwar in den unteren Wasserschichten.“

Genau diese Schichten hielten Biologen und Meereschemiker bisher für am wenigsten von der Ozeanversauerung betroffen. „Ältere Studien hatten nur das CO2 im Blick, das aus der Atmosphäre

stammt und über die Meeresoberfläche aufgenommen wird. Folglich wurde davon ausgegangen, dass vor allem die oberen Schichten versauern“, so Treude. „Für die Arktis haben wir jetzt nachgewiesen, dass auch die bodennahen Bereiche gefährdet sind.“

Verantwortlich für den Temperaturanstieg am Meeresboden in der Arktis sind insbesondere die Meeresströmungen im Atlantik. Obwohl die Berechnungen der Kieler Wissenschaftler große

jahreszeitliche und dekadische Schwankungen zutage führten, zeichnet sich für die Zukunft eine durchschnittliche Erwärmung um 2,5 Grad Celsius pro Jahrhundert ab. Dabei liegen die Temperaturen im flacheren Wasser an den Festlandsockeln eher über und die Kontinentalhänge am Übergang zur Tiefsee eher unter diesem Wert.

(Gemeinsame Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) und des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“, 28.04.2011 – NPO)

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