Astronomie

Riesen-3D-Karte vermisst frühes Universum

Licht von 14.000 Quasaren zeigt Position und Rotverschiebung von fernen intergalaktischen Gaswolken

Eine Karte auf Basis von 14.000 Quasaren © Sloan Digital Sky Survey

Mit dem Licht von 14.000 Quasaren haben Astrophysiker jetzt die bisher größte 3D-Karte des fernen Kosmos erstellt. Die Milliarden von Lichtjahren entfernten Strahlenquellen dienten dabei als „Hintergrundbeleuchtung“, durch die Forscher die Position und Dichte von intergalaktischen Gaswolken bestimmen konnten. Diese geben Aufschluss über die Expansionsrate und Materieverteilung in der Frühzeit des Kosmos und könnten so dazu beitragen, das Rätsel der Dunklen Energie zu lösen.

Seit dem Urknall dehnt sich unser Universum aus, und dies offenbar mit zunehmender Geschwindigkeit. Ein Grund dafür, so postulieren Kosmologen, könnte die Präsenz von Dunkler Energie sein, einer exotischen, verborgenen Energieform, die diese Beschleunigung der Expansion verursacht. Nachgewiesen wurde sie bisher jedoch nicht. Denn im Gegensatz zu Galaxien oder Gaswolken lässt sie sich nicht einfach beobachten oder abmessen, sondern kann nur indirekt bestimmt werden. Ein internationales Forscherteam hat jetzt eine neue Methode eingesetzt, um die Expansion des Kosmos in seiner Frühzeit noch genauer als bisher zu bestimmen und damit auch dieser verborgenen Energieform auf die Spur zu kommen.

Im Rahmen des dritten Sloan Digital Sky Survey (SDSS-III) kartierten die Astronomen dafür erstmals nicht nur die Position und Dichte der sichtbaren Galaxien im Kosmos, sondern auch die der intergalaktischen Gaswolken. Der so genannte „Baryon Oscillation Spectroscopic Survey” (BOSS) misst dabei die winzigen Schwankungen in der Dichte solcher Wasserstoffwolken und nutzt – quasi als „Suchscheinwerfer“ – dafür Quasare, stark strahlende Kerne weit entfernter Galaxien.

Ein 2-D Ausschnitt aus BOSS’s 3-D Karte © Anže Slosar and BOSS Lyman-alpha cosmology working group

Wald von Spektrallinien enthüllt Rotverschiebung

„Quasare sind die hellsten Objekte des Universums, weshalb wir sie als praktische Hintergrundbeleuchtung einsetzen, um das Wasserstoffgas zu erleuchten, das zwischen ihnen und uns liegt“, erklärt Anže Slosar vom Brookhaven National Laboratory das Prinzip. Bei der Passage durch die Wasserstoffwolken werden bestimmte Lichtbereiche vom Gas absorbiert und es entsteht ein spezifisches Spektralmuster. Durch die Ausdehnung des Weltalls zeigen charakteristische Linien dabei eine Verschiebung im Spektrum, im Falle der Wasserstoffwolken werden zahlreiche scharf abgegrenzte Linien direkt neben der Absorptionslinie des neutralen Wasserstoffs, der Lyman-Alpha-Linie, sichtbar.

„Wir können so die Schatten der Wolke erkennen und die Details in ihrem Schatten, die es uns erlauben zu sehen, wie das Gas entlang unserer Sichtlinie verklumpt ist“, so Slosar. Der von den Wasserstoffwolken erzeugte so genannte „Lyman-Alpha-Wald“ im Spektrum kann hunderte von eng nebeneinanderliegenden Linien umfassen, deren Zahl und Lage Rückschlüsse über die Rotverschiebung und die Dichte der durchstrahlten Wasserwolke erlauben. „In der Theorie kann man jede dieser Absorptionslinien direkt in Rotverschiebungen umrechnen und die Gaswolken damit präzise lokalisieren”, erklärt Bill Carithers, Physiker am Lawrence Berkeley National Laboratory. „Aber die Praxis zeigt, dass nur die Spektren der allerhellsten Quasare sauber genug sind, um die Dinge so einfach zu machen.“

Eine Karte auf Basis von 14.000 Quasaren

Die Forscher nutzten für ihre Kartierung das Licht von 14.000 solcher Milliarden Lichtjahre entfernter Quasare, aufgenommen vom Sloan Teleskop des Apache Point Observatorium in New Mexiko. Jetzt, nach einem Jahr der geplanten fünf Jahre Laufzeit, ist die erste aus den Messungen generierte dreidimensionale Karte fertig. Das gewaltige Werk wurde beim Apriltreffen der „American Physical Society“ im kalifornischen Anaheim vorgestellt. Sie belegt erstmals, dass es tatsächlich möglich ist, Variationen in der Dichte der intergalaktischen Wasserstoffwolken auch aus Milliarden Lichtjahren Entfernung zu erfassen.

Da diese weit entfernten Gaswolken aus der Frühzeit des Universums stammen, aus einer Ära, in der die Materie noch weitestgehend gleichmäßig verteilt war, liefern ihre Daten wertvolle Hinweise auf die frühe Expansion des Universums. Die Frage, ob sich der Kosmos damals mit konstanter Rate ausdehnte oder sich die Expansion im Laufe der Zeit verändert hat, gilt als essenziell, um die Theorien zur Dunklen Energie entweder zu bestätigen oder aber zu widerlegen.

Expansion soll Dunkle Energie enthüllen

„Wir wissen jetzt, dass wir den Lyman-Alpha-Wald nutzen können, um nach der Dunklen Energie zu suchen“, erklärt Slosar. „Da ist diese ganze Struktur im fernen Universum, die niemand zuvor gesehen hat. Manchmal fühle ich mich wie ein kartographierender Entdecker des Mittelalters.“ Noch soll das Projekt weitere vier Jahre laufen. Dann erwarten die Forscher die endgültigen Daten zur Expansion.

„Wenn BOSS abgeschlossen ist, werden wir die Ausdehnung des Universums vor elf Milliarden Jahren mit einer Genauigkeit von wenigen Prozent bestimmen können“, erklärt Patrick McDonald vom Brookhaven und Lawrence Berkeley Lab. „In Anbetracht dessen, dass noch niemand jemals die kosmische Expansionsrate so weit in der Vergangenheit bestimmt hat, ist das eine ziemlich erstaunliche Aussicht.“ (Cosmology and Extragalactic Astrophysics, 2011; arXiv:1104.5244v1[astro-ph.CO])

(DOE/Lawrence Berkeley National Laboratory, 04.05.2011 – NPO)

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