Geowissen

Starkbeben: Ost-Anden gefährdeter als gedacht

Neuvermessung der bolivianischen Ost-Anden zeigt Gefahr eines tektonischen Bruchs

Anden: Starkbebenrisiko auch auf der Ostseite © gemeinfrei

Millionen Menschen in der Andenregion Südamerikas sind einem deutlich höheren Erdbebenrisiko ausgesetzt als angenommen. Eine jetzt in „Nature Geoscience“ veröffentlichte Studie enthüllt, dass auch am bisher als weniger gefährdet geltenden Osthang der Anden Erdstöße der Magnitude 8,7 bis 8,9 auftreten können. Betroffen wäre unter anderem die bolivianische Millionenstadt Santa Cruz.

Der Gebirgszug der Anden zieht sich die gesamte Westküste Südamerikas entlang, angehoben durch die Kollision zweier tektonischer Platten. Die pazifische Nazca-Platte wird dabei unter die südamerikanische Kontinentalplatte gedrückt und subduziert. Diese Unterschiebung führte im Laufe der Jahrmillionen zu reger Vulkanbildung und macht die Küstenregion westlich der Anden zu einem der aktivsten Erdbebengebiete weltweit. Bis zum Magnitude 8,0 und mehr erreichen die Erdstöße hier.

Die Ostseite der Anden dagegen, der so genannte „Backarc” der Subduktion, galt bisher als weitaus weniger gefährdet. Maximal Stärke 7 sagten die Risikomodelle voraus. Das allerdings könnte sich jetzt als falsche Sicherheit, wie eine Studie von Forschern unter Leitung von Benjamin Brooks von der Universität von Hawaii jetzt feststellten. Die Wissenschaftler nutzten GPS-Daten, um die Krustenbewegungen um Bereich des östlichen Andenhangs erstmals genauer zu erfassen.

Bruch der Mandeyapecua-Verwerfung möglich

Den neuen Daten nach besteht insbesondere im Gebiet nahe der bolivianischen Großstadt Santa Cruz de la Sierra, in der mehr als eineinhalb Millionen Menschen leben, eine durchaus akute Gefahr eines Starkbebens. Schuld daran ist die gut 500 Kilometer lange Mandeyapecua Verwerfung (MTF), eine Überschiebung des Andensockels über den brasilianischen Teil der Platte. Dort stellten die Forscher fest, dass die Bruchkanten der Störung auf einer Länge von mindestens 100 Kilometern verkeilt sind und keine Ausgleichsbewegungen erlauben. Dadurch baut sich eine Spannung im Untergrund auf, die sich in einem plötzlichen Bruch und damit in einem starken Erdbeben entladen kann.

Magnitude könnte bis zu 8,9 gehen

„Angesichts des kleinen räumlichen Maßstabs der Segmentgrenzen hier ist es wahrscheinlich, dass sie nicht substanziell genug sind, um als Barrieren für alle dynamischen Brüche zu wirken“, erklärt Brooks. „Es ist daher vernünftig anzunehmen, dass schon ein einziges Erdbeben die gesamte Mandeyapecua Verwerfung zum Bersten bringen kann. Sollte in diesem Szenario die gesamte verkeilte Breite der Störung reißen, schätzen wir den maximalen Versatz auf zehn Meter und die Erdbebenstärken auf 8,7 bis 8,9 Magnituden.“

Verschärfend kommt hinzu, dass sich das letzte starke Erdbeben in dieser Region im Jahr 1886 ereignete. Nach Ansicht der Forscher ist seither genügend Zeit vergangen, um Energie für ein neues Starkbeben anzureichern. In einem solchen Fall wären im südlichen Sub-Andengebiet schlimmstenfalls rund zwei Millionen Menschen betroffen – Menschen und Infrastruktur, die bisher von einem weitaus geringeren Risiko ausgegangen sind. (Nature Geoscience, 2011; DOI: 10.1038/ngeo1143)

(Nature Geoscience, 09.05.2011 – NPO)

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