Biologie

Botenstoff eicht innere Uhren auf „alt“

Senile Bettflucht im Alter beruht nicht auf anderem „Ticken“ der Uhrengene

Ältere Menschen werden oft zu Frühaufstehern – und dies selbst dann, wenn sie in ihrer Jugend eher Morgenmuffel waren. Aber warum? Die Untersuchung dieser Frage hat jetzt ein überraschendes Ergebnis gebracht: Denn für diese Verschiebung der Wachzeiten sind nicht die Uhrengene in den Zellen verantwortlich. Stattdessen ist es ein Botenstoff im Blut, der die Zelluhren auf „alt“ eicht. Dieses in den „Proceedings of the National Academy of Science“ (PNAS) veröffentlichte Ergebnis eröffnet damit auch Möglichkeiten, die „senile Bettflucht“ medikamentös zu beeinflussen.

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Wir Menschen werden schon als „Lerche“ oder „Eule“ geboren: Ob wir Frühaufsteher und bereits morgens aktiv sind oder aber Morgenmuffel und erst im Laufe des Tages so richtig wach, entscheidet unser so genannter Chronotypus, die Art, wie die Uhrengene unsere Innere Uhr stellen. Interessanterweise aber verändert sich dies mit zunehmendem Alter, die Periodenlänge der inneren Uhr nimmt ab. Ungefähr ab dem 20. Lebensjahr, nach der eher nachtaktiven Phase der Pubertät, erfährt sie einen Wendepunkt und verschiebt sich nach und nach Richtung „Lerche“. Bis wir im Alter schließlich an seniler Bettflucht leiden.

Hautzellen als Anzeiger der Uhren-Aktivität

Was aber sind die Ursachen für diese altersabhängige Verschiebung? Dieser Frage sind Forschende der Universität Basel um Anne Eckert, Christian Cajochen und Anna Wirz-Justice gemeinsam mit Kollegen der Universität Zürich nachgegangen. Ihr Ziel: Herauszufinden, welche molekularen Mechanismen hinter der altersabhängigen chronobiologischen Veränderung stehen. Ihr Ansatzpunkt: Wenn in den meisten unserer Zellen eine von Uhren-Genen gesteuerte zirkadiane Uhr existiert, dann sollte die Gewinnung und Kultivierung peripherer Zellen bereits ausreichen, um die Eigenschaften der individuellen Uhren bestimmen zu können.

Im Rahmen der Studie entnahmen die Forscher zunächst 18 jüngeren Versuchspersonen im Alter von 21 bis 30 Jahren und 18 älteren Versuchspersonen zwischen 60 und 88 Jahren eine winzige Hautprobe. Die dabei gewonnenen Hautfibroblasten modifizierten sie mit einem Gen der Feuerfliege. Dadurch leuchteten die Zellen immer dann auf, wenn das Uhrengen Bmal-1 aktiv war. Durch diesen Trick konnten die Forscher die zirkadiane Aktivität der Zellen visualisieren. Fünf Tage lang erfassten sie anschließend die individuellen rhythmischen Expressionsmuster der Fibroblastenkulturen von jungen und älteren Spendern. Somit war es möglich, individuelle zirkadiane Perioden am Menschen ex vivo/in vitro zu analysieren.

Uhrengene ticken bei Jungen und Alten gleich

Das Ergebnis war verblüffend: Entgegen den Erwartungen „tickten“ die Zell-Uhren der jüngeren und älteren Versuchspersonen keineswegs unterschiedlich, sondern ziemlich im gleichen Tempo. Das aber steht im Widerspruch zu den gut dokumentierten Unterschieden im Schlafverhalten alter und junger Menschen. Die Erklärung lieferte eine weitere, entscheidende Beobachtung: Interessanterweise änderte sich das Verhalten der Uhrengene, wenn die gleichen Zellen – egal ob jung oder alt – mit dem Blutserum älterer Personen behandelt wurde, statt mit Standardserum (FSC). Dann reagierten die Zellen mit einer Verkürzung ihrer Periodenlänge. Diese Verkürzung trat nicht auf, wenn Serum von jungen Kontrollpersonen verwendet wurde.

Botenstoff im Blut „eicht“ Uhren auf Alter

Die Studiendaten zeigten erstmalig, dass das Zusammenspiel der molekularen Komponenten der inneren Uhr im Alter nicht per se verändert ist. Die Wissenschaftler vermuten, dass demnach über das Blut verteilte biochemische Faktoren für die Beeinflussung der zirkadianen Rhythmik im Alter sorgen. Diese sind höchstwahrscheinlich hormonellen Ursprungs. Das aber bedeutet, dass die „Eichung“ der inneren Zelluhren von außen kommt und damit auch künstlich beeinflusst werden kann – beispielsweise durch Medikamente, die bei extremen Fällen von seniler Bettflucht Hilfe bringen. (Proc Natl Acad Sci. 2011; doi:10.1073/pnas.1008882108)

(Universität Basel, 18.05.2011 – NPO)

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