Eine neue Triebkraft chemischer Reaktionen hat jetzt ein internationales Chemiker-Team entdeckt: Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die sogenannte Tunnelkontrolle chemische Reaktionen in eine Richtung lenken kann, die weder durch das etablierte Prinzip der kinetischen Kontrolle – in Richtung der Reaktion mit der geringsten Barriere – noch durch das der thermodynamischen Kontrolle (in Richtung der energetisch günstigsten Reaktion) vorhergesagt worden wäre.
Die Ergebnisse der neuen Studie im Wissenschaftsmagazin „Science“ könnten starken Einfluss darauf haben, wie Wissenschaftler chemische Umsetzungen verstehen und entwerfen – sei es in der Chemie, den Materialwissenschaften oder der Biochemie.
Chemische Reaktionen sind wie Bergwanderungen
Chemische Reaktionen kann man mit Bergwanderungen vergleichen: Man wird in der Regel den niedrigsten Pass erklimmen, um von einem in das nächste Tal zu gelangen. Hat man jedoch ein besonders lohnendes Ziel vor Augen, bemüht man sich auch schon mal über einen höheren Berg. Das Tunneln einer chemischen Reaktion kann man mit der Durchquerung eines hohen Berges von einem Tal zum nächsten durch einen – allerdings unsichtbaren – Tunnel verstehen. Bisher gingen Forscher davon aus, dass nur relativ niedrige Berge durchquert werden können und dass der Pfad über den Berg weiterhin gleichzeitig zugänglich ist.
Tunneleffekt mit dem Beamen vergleichbar
Die aktuelle Studie der Chemiker um Professor Peter R. Schreiner von der Universität Gießen und Professor Wesley D. Allen von der University of Georgia zeigt nun, dass beides keinesfalls Voraussetzung für dieses Phänomen ist. Der Tunneleffekt kann am einfachsten mit dem Beamen in einem Science Fiction-Film verglichen werden: Materie wird von einem Punkt zum anderen transportiert – vollkommen unabhängig davon, welche Hindernisse dazwischen liegen.