Die sauerstoffarmen Zonen der Meere reagieren schon auf kleinste Klimaveränderungen: Wird die Meeresoberfläche nur leicht wärmer, dehnen sich die „Todeszonen“ in der Vertikalen deutlich aus, das zeigt eine jetzt in „Science“ erschienene Studie. Gleichzeitig verarmen die betroffenen Gebiete auch an Nährstoffen, da Bakterien am Meeresgrund bei Sauerstoffmangel vermehrt Stickstoff aufnehmen. Damit fehlt den Algen, die in den „Todeszonen“ für Sauerstoffnachschub sorgen könnten, der Nährstoff.
Normalerweise sorgen die Meeresströmungen dafür, dass der aus der Atmosphäre im Wasser gelöste Sauerstoff auch in tiefere Wasserschichten gelangt. „Der Sauerstoff, den Bakterien in tieferen Wasserschichten aufzehren, wird ersetzt durch das zirkulieren des Wassers“, erklärt Curtis Deutsch von der Universität von Kalifornien in Los Angeles. „Das Wasser mischt sich damit ständig durch und erlaubt so auch den tieferen Schichten, ab und zu einen ‚Atemzug‘ der Atmosphäre zu erhaschen.“ Doch genau dieser normale Sauerstoffhaushalt ist in immer mehr Zonen der Weltmeere stark gestört. Die Folge: Am Meeresgrund und knapp darüber breiten sich extrem sauerstoffarme „Todeszonen“ aus.
„Das Wachstum von sauerstoffarmen Regionen erweckt Sorge wegen seiner schädlichen Auswirkungen auf die marinen Organismenpopulationen – ganze Ökosysteme können absterben, wenn die Lebewesen dem sauerstoffarmen Wasser nicht entfliehen können“, erklärt Curtis Deutsch von der Universität von Kalifornien in Los Angeles. „Es gibt bereits ausgedehnte Gebiete im Meer, aus denen das marine Leben fliehen musste oder sehr spezielle Anpassungen entwickeln, um diese Bedingungen zu überleben.“
Sensible Reaktion schon auf kleinste Klimaschwankungen
Um herauszufinden, wie sich diese „Todeszonen” in den letzten 50 Jahren verändert haben und auch, wie das Klima ihre Ausdehnung beeinflusst, analysierten die Forscher die Entwicklung mit Hilfe eines Computermodells der Ozeanzirkulation und der biologischen Prozesse, die Sauerstoff erzeugen oder konsumieren. Die Ergebnisse der Simulation verglichen die Wissenschaftler mit Beobachtungen und Messwerten aus den realen sauerstoffarmen Meeresbereichen.
Die Auswertungen zeigen, dass schon kleine Klimavariationen, wie beispielsweise die dekadische pazifische Oszillation, deutliche Veränderungen der Temperaturschichtung und Sauerstoffgehalte des Meerwassers bewirken. Erwärmt sich das Wasser, steigt die Aktivität der sauerstoffzehrenden Bakterien und als Folge dehnen sich auch die Todeszonen weiter aus. „Wir haben zum ersten Mal festgestellt, dass diese sauerstoffarmen Regionen sehr sensibel auf kleinste Veränderungen des Klima reagieren“, so Deutsch. „Das ist es auch, was das Wachstum und Schrumpfen dieser sauerstoffarmen Zonen so dramatisch macht.“
Klimawandel: Wachstum der Todeszonen wahrscheinlich
Mit zunehmendem Klimawandel könnte sich diese Situation noch verschärfen, denn das wärmere Oberflächenwasser hemmt die Durchmischung des Wassers und verhindert damit den Sauerstofftransport tiefere Schichten. „Im Falle eines globalen Temperaturanstiegs erwarten wir, dass die sauerstoffarmen Regionen in ihrer Größe wachsen werden, ähnlich wie am Ende der letzten Eiszeit vor rund 30.000 Jahren“, erklärt Deutsch. „Weil aber die Ausdehnung dieser Gebiete durch die pazifische dekadische Oszillation stark schwankt, benötigen wir noch mehr Daten, um einen überordneten Trend erkennen zu können.“ Nach Ansicht der Forscher wird der Klimawandel nahezu mit Sicherheit auch den Sauerstoffgehalt der Meere beeinflussen, aber vermutlich sehr langsam und daher nur schwer nachweisbar.
Todeszonen „schlucken“ Stickstoff
In ihrer Studie stießen die Forscher noch auf einen unerwarteten und unwillkommenen Nebeneffekt: „Wir haben festgestellt, dass es einen Mechanismus gibt, der Klima und dessen Wirkung auf den marinen Sauerstoff mit dem Schwund von Stickstoff aus dem Meer verknüpft“, so Deutsch. „Unser Klima bewirkt damit auch im Laufe der Jahrzehnte eine Veränderung der Nährstoffmenge im Ozean.“
Unter Sauerstoffmangel beginnen die Bakterien in der hypoxischen Zone vermehrt Stickstoff aufzunehmen, dadurch aber fehlt den sauerstoffproduzierenden Algen der Nähstoffnachschub. Als Folge wachsen die sauerstoffarmen Zonen nicht nur weiter an, auch Fische und andere Algenfresser könnten zudem zu wenig Nahrung finden. (Science, 2011; DOI:10.1126/science.1202422)
(University of California – Los Angeles, 20.06.2011 – NPO)