Die Landschnecke Tudorella sulcata lebt heute meist gut versteckt unter Kalksteingeröll an vielen Küsten im Mittelmeerraum. Da sie weder schwimmen noch große Strecken an Land zurücklegen kann, war es bisher unklar, wie sie sich über die weit auseinanderliegenden Regionen Frankreichs, Sardiniens und Algeriens ausbreiten konnte. Doch nun haben Frankfurter Biologen dieses Rätsel endgültig gelöst.
Mit Hilfe von molekularen Markern und neuen statistischen Methoden gelang es ihnen, die Besiedlungsgeschichte zu rekonstruieren und den Zeitpunkt der Auswanderung aus dem Ursprungsgebiet zu ermitteln. Ergebnis: Er fällt zusammen mit dem Aufbau von Handelswegen in der Jungsteinzeit. Vermutlich reiste die Landschnecke auf den Booten der neolithischen Händler mit, so die Forscher in der Fachzeitschrift „PLoS ONE“.
Mensch nahm Tiere und Pflanzen „huckepack“
„Seit der Mensch sich aufgemacht hat, um von Afrika aus die Welt zu besiedeln, hat er – absichtlich oder unabsichtlich – Tier- und Pflanzenarten aus ihren Ursprungsgebieten verschleppt“, sagt Professor Markus Pfenninger von der Goethe-Universität Frankfurt am Main. „Insbesondere bei Arten mit einem fragmentierten Verbreitungsgebiet, aber geringer Ausbreitungsfähigkeit, ist es deswegen oft schwer festzustellen, ob die Verbreitung auf natürlichem Weg oder durch den Menschen geschehen ist.“
Erste Ausbreitung vor 8.000 Jahren
In einer Zusammenarbeit des Biodiversitäts- und Klimaforschungszentrums Frankfurt (BiK-F), der Goethe-Universität und der Universität Montpellier ist es jetzt gelungen, der Ursprung der Art auf Sardinien auszumachen. Von dort hat sie sich den Wissenschaftlern zufolge in einem ersten Schritt nach Algerien ausgebreitet, um anschließend die Küste der südfranzösischen Provence zu besiedeln.
Da die Besiedlung eines neuen Gebietes immer auch mit einer Vergrößerung der Population verbunden ist und diese ihre Spuren in den Genen hinterlässt, konnten die Forscher die erste Ausbreitung auf circa 8.000 Jahre vor heute datieren. Zu dieser Zeit besiedelten gerade neolithische Siedler die westliche Mittelmeerregion, was zu regem Handel – beispielsweise mit Feuersteinen – führte, aber auch zu einem heute noch genetisch nachweisbaren Kontakt der Bevölkerungen Sardiniens und Nordafrikas.
Natürlicher Transport ausgeschlossen
„Deshalb liegt es nahe, dass diese Siedler auch die etwa Daumennagel große, weiß bis orange oder rötlich schimmernde Schnecke in den Maghreb gebracht haben, sei es als Schmuck oder nur zufällig“, so Pfenninger, der am Institut für Ökologie, Evolution und Diversität tätig ist. Dafür spricht auch, dass die versteckte Lebensweise der Schnecke einen natürlichen Transport mit Strömungen, Zugvögeln oder Wind praktisch ausschließt. (PLoS ONE, 2011; doi:10.1371/journal.pone.0020734)
(Goethe-Universität Frankfurt am Main, 30.06.2011 – DLO)