Reptilien sind offenbar schlauer als landläufig angenommen. In Experimenten amerikanischer Forscher hat eine tropische Echsenart einen Intelligenztest bestanden, der normalerweise für Vögel eingesetzt wird. Die zu den Iguanas gehörenden Smaragd-Anolen schlugen sich dabei sogar deutlich besser als diese. „Der Erfolg der Echsen in diesem Test mit Würmern war völlig unerwartet“, sagt Studienleiter Manuel Leal von der Duke University.
Im Test verbargen die Forscher einen Wurm in einem von zwei abgedeckten Näpfen. Der gefüllte erhielt eine blaue Abdeckung, der leere eine gelbe. Obwohl die Reptilien nie zuvor mit solchen Tests konfrontiert waren, lernten sie schnell, den richtigen Deckel abzuheben, um an den Wurm zu gelangen.
„Diese Ergebnisse sollten Wissenschaftler zu einem Umdenken darüber bewegen, was sie über die Evolution der tierischen Kognition bisher zu wissen glauben“, kommentiert Jonathan Losos, Biologe der amerikanischen Harvard Universität. Nach gängiger Vorstellung verfügen Reptilien nur über begrenzte kognitive Fähigkeiten und eher unflexible Methoden der Nahrungssuche. Das Experiment demonstriere dagegen klar, dass die Echsen auch in einer ungewohnten Situation dazu fähig seien, eine Lösung zu entwickeln.
Wurm als Belohnung
Die leuchtend grün gefärbten Puerto Rico Smaragd-Anolen (Anolis evermanni) ähneln im Körperbau unseren Eidechsen. Die rund 20 Zentimeter großen Tiere ernähren vor allem von Insekten und anderen Kleintieren und gelten daher in Südamerika und der Karibik als Nützlinge.
Für die Versuche gewöhnten die Forscher um Leal vier Smaragd-Anolen, zwei Männchen und zwei Weibchen, zunächst daran, dass ein Napf mit blauem Deckel immer einen Wurm enthielt. Die Tiere lernten schnell, den Deckel zu entfernen. „Sie schieben ihre Schnauze unter den kleinen Plastikdeckel und schubsen ihn. Im Freiland tun sie so etwas nicht“, sagt Leal.
Echsen benötigten drei Versuche weniger als Vögel
Im nächsten Test mit zwei verschiedenfarbig abgedeckten Näpfen brauchten die Echsen durchschnittlich drei Anläufe weniger als Vögel, um den gefüllten Napf anhand seiner Deckelfarbe zu identifizieren. Das sei auch deshalb eine erstaunliche Leistung, weil die Anolen sich das Ergebnis jedes Versuchs 24 Stunden merken mussten, bevor sie einen neuen absolvieren konnten. Weil die Echsen bereits nach einem Wurm satt waren, konnten die Forscher ihre Tests nicht wie bei den Vögeln üblich sechs Mal pro Tag durchführen.
Als besonders fortgeschritten werten die Forscher zudem die Fähigkeit der Echsen, die einmal gelernte Assoziation „Blau bedeutet Wurm“ auch wieder verändern zu können. Eine solche „Umschulung“ – in diesem Fall auf den gelben Deckel – sei selbst für manche Säugetiere schwierig.
Inwieweit die kognitiven Fähigkeiten der Smaragd-Anolen mit ihrem auch im Freiland komplexen Verhaltensrepertoire zusammenhängen, ist nach Angaben der Forscher noch unklar. Sie wollen nun untersuchen, ob auch andere Echsenarten ähnlich gute Leistungen zeigen. Auch die Frage, ob ein im Verhältnis zum Körper größeres Gehirn den Smaragd-Anolen einen Vorteil verschafft, soll dann ermittelt werden. (Biology Letters, DOI: 10.1098/rsbl.2011.0480)
(Biology Letters / dapd, 13.07.2011 – NPO)