Ein internationales Forscherkonsortium hat die bisher detaillierteste genetische Karte des menschlichen Erbguts erstellt. Basierend auf der DNA von 30.000 Afroamerikanern, zeigt die Karte Stellen im Genom, an denen ein Genaustausch zwischen mütterlichen und väterlichen Chromosomen besonders häufig vorkommt. Solche „Hotspots“ der Rekombination sind unter anderem für die Entstehung von Krankheiten wichtig.
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„Wenn die Rekombination schief geht, kann dies zu Mutationen führen, die Erbkrankheiten auslösen“, sagt Simon Myers von der University of Oxford, einer der beiden Leiter der Studie. Landet ein Genabschnitt an der falschen Stelle oder ist verdoppelt, können beispielsweise angeborene Blutarmut oder erbliche Muskelabbau-Krankheiten die Folge sein. Durchschnittlich 70 solcher hochaktiven Austauschstellen identifizierten die Forscher bei den Afroamerikanern pro Person. Dies seien deutlich mehr und andere als bei Europäern, sagen die Forscher.
„Mehr als die Hälfte der Afroamerikaner tragen eine Version der biologischen Rekombinations-Maschinerie, die von der der Europäer differiert. Als Folge erfahren Afroamerikaner Rekombination an Orten, wo sie bei Europäern so gut wie niemals auftritt“, sagen die Forscher im Fachmagazin „Nature“. Damit gebe die Karte nicht nur einen Einblick in die unterschiedliche Entwicklungsgeschichte beider Populationen. Die Unterschiede im Genom könnten auch erklären, warum Afroamerikaner und Afrikaner unter anderen genetisch bedingten Krankheiten leiden als Europäer.
Austausch von Chromosomenstücken
Der Schlüssel zur Einzigartigkeit jedes Menschen ist die Rekombination – die individuell neue Zusammenstellung von mütterlicher und väterlicher DNA. Sie tritt unter anderem auf, wenn sich im Lauf der Reifeteilung Chromosomen überkreuzen und dabei Stücke austauschen. Im Gegensatz zu Mutationen, die nur punktuelle Kopierfehler an einzelnen Genorten darstellen, kann dieses „Crossover“ zur Rekombination ausgedehnter Genbereiche führen.
„Beim Menschen ist diese Rekombination nicht gleichmäßig über das Genom verteilt, sondern ereignet sich in ‚Hotspots‘: Abschnitten von rund zweitausend Basen, in denen die Crossover-Rate weit höher ist als in den benachbarten DNA-Sequenzen“, sagen die Forscher.
Rekombination als Abweichung vom typischen Muster
Für ihre Studie machten sie sich zunutze, dass das Genom der Afroamerikaner rund 80 Prozent afrikanische und 20 Prozent europäische Anteile enthält. Brüche und plötzliche Abweichungen vom typischen Muster der jeweiligen, sich über Millionen von Basen erstreckenden Genbereiche deuten auf Rekombinationen hin. Insgesamt stießen die Forscher auf etwa 2.500 Rekombinations-Hotspots, die nur bei Menschen mit westafrikanischen Vorfahren, nicht aber bei Europäern aktiv waren.
In vorhergehenden Studien an Europäern war es bereits gelungen, ein 13 Basen langes DNA-Motiv zu identifizieren, das solche Hotspots zu kennzeichnen scheint. Dieses DNA-Motiv fand sich auch im Genom der Afroamerikaner wieder – allerdings nur in rund zwei Dritteln der Hotspots. Im Rest identifizierten die Forscher ein weiteres DNA-Motiv von 17 Basen Länge. Dieses sei für die afrikanische Variante der Rekombinations-Maschinerie spezifisch. (Nature, 2011; DOI: 10.1038/nature10336)
(Nature / University of Oxford / dapd, 21.07.2011 – NPO)