Botanik

Ohne Bienen geht die „Blumenuhr“ nach

Einige Pflanzen schließen ihre Blüten nur nach Bestäubung pünktlich

Blütenköpfchen der Pippaupflanze: Die linke Blüte wurde drei Stunden vorher bestäubt und ist daher geschlossen, während die rechte Blüte ohne Bestäubung noch komplett offen ist. © Universität Göttingen

Die Blüten vieler Pflanzen sind jeden Tag nur zu ganz bestimmten Zeiten geöffnet. Ein entscheidender Grund dafür ist offenbar seit Jahrhunderten übersehen worden. Erst jetzt haben Göttinger Forscher dieses Geheimnis der so genannten „Blumenuhr“ gelüftet. Ihre Experimente zeigen, dass Insekten dabei eine wichtige Rolle als Taktgeber spielen. Die Blüten einiger Pflanzen schließen sich nur dann zu der üblichen Uhrzeit, wenn sie vorher von Bienen oder anderen Bestäubern besucht wurden. Bei manchen Wiesenblumen ist das schon mittags der Fall. Fehlen die Insekten, bleiben die Blüten bis gegen Abend offen. Die Blumenuhr gehe dann „nach“.

„Unsere Ergebnisse zeigen zum ersten Mal, dass die Bestäubung das schnelle Schließen der Blüten auf der Ebene einer ganzen Pflanzengemeinschaft beeinflusst“, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift „Ecology Letters“. Wegen dieser engen Verflechtung von Pflanzen und ihren Bestäuberinsekten könne sich auch der aktuell beobachtete Rückgang der Bienen deutlich auswirken, sagen die Forscher. Er führe zum verspäteten Schließen von Blüten und bringe damit das gesamte, feinabgestimmte Nahrungsnetz einer Wiese durcheinander.

Linné legte „Blumenuhr“ an

Schon der schwedische Naturforscher Carl von Linné legte im 18. Jahrhundert im Botanischen Garten von Uppsala eine „Blumenuhr“ an. In diesem Beet waren die Pflanzen entsprechend ihrer Blühzeiten angeordnet. Mit ihrer Hilfe soll Linné die Uhrzeit bis auf fünf Minuten bestimmt haben. Dass diese Präzision der Blumenuhr auch von Insekten abhängt, belegten die Göttinger Forscher nun in einem Versuch. Dabei bestäubten sie Blüten in einem abgeschlossenen Käfig per Hand. Diese begannen sich bereits ein bis zwei Stunden später zu schließen.

Die schnelle Reaktion der Blüten auf eine erfolgreiche Bestäubung könne in Zukunft möglicherweise auch dazu genutzt werden, den Bestäubungserfolg zu messen, mutmaßen die Agrarökologen. Man müsse die Entwicklung der Samen dann nicht mehr abwarten.

Bestäuber machen „Job-Sharing“

„Wir haben beobachtet, dass sich Bestäuberarten ablösen“, beschreiben die Forscher die Ergebnisse eines weiteren Experiments. In diesem wurden die meisten löwenzahnartigen Pflanzen schon in den ersten Tagesstunden angeflogen. Ihre Blüten waren auf der Wiese daher schon um die Mittagszeit geschlossen. Die Blüten der Schafgarbe bleiben dagegen auch später am Tag geöffnet. Sie wurden erst am Nachmittag von jeweils anderen Bienen bestäubt, wie die Forscher entdeckten.

Diese unterschiedlichen biologischen Rhythmen der Bienen und Blütenpflanzen sorgten dafür, dass Bestäuber immer genug Futter finden, sagen die Wissenschaftler. Gleichzeitig hielte dies die Konkurrenz unter den Pflanzen um die Insekten in Grenzen.

„Die Bedeutung der Wechselwirkungen mit anderen Lebewesen für viele grundlegende biologische Mechanismen wird häufig nicht beachtet“, sagen die Agrarökologen um Jochen Fründ und Teja Tscharntke von der Universität Göttingen. Nur so sei es zu erklären, dass der Einfluss der Bestäubung auf das botanische Phänomen der Blumenuhr bisher unerkannt geblieben sei. (Ecology Letters, 2011; DOI:10.1111/j.1461-0248.2011.01654.x)

(Ecology Letters / Universität Göttingen / dapd, 05.08.2011 – DLO)

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