Forscher haben in deutschen Flüssen 257 schädliche Chemikalien nachgewiesen. Einige von ihnen kamen in Konzentrationen vor, die für Wasserorganismen akut giftig sind. Für ihre im Fachmagazin „Environmental Science & Technology“ erschienene Studie hatten die Wissenschaftler Daten von den vier größten Flüssen Norddeutschlands ausgewertet: Elbe, Weser, Aller und Ems. Der durch die EU-weite Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) geforderte gute chemische und gute ökologische Zustand werde in großen deutschen Gewässern bis 2015 wohl nicht erreicht weren, konstatieren die Forscher.
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„Diese Studie ist weltweit die bislang größte ihrer Art“, erklärt Ralf B. Schäfer, Juniorprofessor am Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Gemeinsam mit Kollegen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Technischen Universität Bergakademie Freiberg wertete er behördliche Gewässer-Monitoring-Daten aus den Jahren von 1994 bis 2004 aus. Dafür nutzten sie eine neuen Methode zur Vorhersage der Toxizität von bisher ungetesteten Stoffen. 331 organische Schadstoffe untersuchten die Forscher auf ihr Vorkommen und mögliche toxische Effekte hin. Zur Beurteilung der Gewässerkonzentration glichen die Wissenschaftler die Daten aus dem behördlichen Monitoring mit Laborwerten aus Standardtests mit Wasserflöhen, Fischen und Algen ab. Auf dieser Basis stuften sie dann die Belastung der Flüsse ein.
257 Schadstoffe nachgewiesen
Das Ergebnis: 257 der im Visier der Wissenschaftler stehenden Stoffe wurden in den Gewässern gefunden, und das zum Teil in Konzentrationen, die akute toxische Effekte auf Gewässerorganismen wahrscheinlich erscheinen lassen. „Zwar sind die Trends rückläufig“, so Schäfer. Insgesamt seien die Belastungen beispielsweise durch Pestizide und Industriechemikalien allerdings so hoch, dass die toxischen Auswirkungen auf Flora und Fauna sehr wahrscheinlich seien.
Tödliche Konzentrationen
„Wir haben teilweise Stoffe in besorgniserregender Konzentration ausgemacht, die in vorliegender Höhe unter Laborbedingungen bei 50 Prozent der Wasserflöhe tödlich wären und zu einer großen Abnahme des Algenbestands führen könnten“, so Schäfer. Auch sei zu beachten, so von der Ohe, dass die verwendeten Monitoringdaten durch punktuelle Probenahme erfasst wurden, Pestizide dagegen eher episodisch auftreten würden und die Belastungen daher in der Praxis zeitweise noch höher sein könnten.
„Die Annahme, dass durch die Verdünnung der Chemikalien in großen Gewässern diese nicht so stark beeinträchtigt würden, lässt sich durch diese Ergebnisse widerlegen“, sagt Peter C. von der Ohe vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Bleiben die Belastungen in den großen Strömen auf dem heutigen Niveau, werden die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie schwer zu realisieren sein, sind sich die Wissenschaftler einig.
Derzeit werde behördliches Gewässermonitoring nur punktuell und aus Kostengründen immer mehr mit Blick auf die 33 prioritären Stoffe durchgeführt, die in der vorliegenden Studie größtenteils keinen Anteil an der Gewässerbelastung hatten. Das größte Risiko würden dagegen andere Substanzen bergen, so die Einschätzung der Wissenschaftler. Diese sollten zukünftig stärker bei der Gewässerüberwachung in den Blick genommen und die genauen Quellen identifiziert werden. (Environmental Science & Technology, 2011; DOI: 10.1021/es200361r)
(Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), 18.08.2011 – NPO)