Evolution

„Ur-Oma“ aller höheren Säugetiere entdeckt

In China entdecktes Fossil belegt Trennung von den Beuteltieren schon vor 160 Millionen Jahren

Das vor 160 Millionen Jahren lebende Säugetier Juramaia sinensis in seinem natürlichen Habitat: auf einem Baumast. © Mark A Klinger / Carnegie Museum of Natural History

Im Nordosten Chinas haben Forscher das Fossil des ältesten bekannten höheren Säugetiers entdeckt. Der nur 17 Gramm wiegende Insektenfresser lebte vor rund 160 Millionen Jahren, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“ berichten. Damit sei „Juramaia sinensis“ rund 35 Millionen Jahre älter als alle bisherigen Fossilfunde dieser Tiergruppe. „Juramaia ist damit entweder eine Urgroßtante oder die Urgroßmutter aller heute lebenden höheren Säugetiere“, sagt Hauptautor Zhe-Xi Luo vom Carnegie Museum of Natural History in Pittsburgh. Zu den höheren Säugetieren oder Plazentatieren gehören heute rund 90 Prozent aller Säugetiere, darunter auch der Mensch.

Das neue Fossil verschiebt einen wichtigen Meilenstein in der Evolution der Säugetiere weiter in die Vergangenheit: die Trennung der Plazentatiere von den Beuteltieren. Bisher klaffte hier eine Lücke zwischen den Fossilfunden und Datierungen, die auf Vergleichen des Erbguts basierten. DNA-Analysen deuteten zwar auf eine Trennung vor rund 160 Millionen Jahren hin. Fossile Belege dafür fehlten jedoch.

Erst Juramaia sinensis habe nun die Diskrepanz zwischen Genetik und Fossilien beseitigt, sagen Luo und seine Kollegen. Ihre Existenz bestätige die DNA-Datierungen und erleichtere damit Forschungen zur Fortentwicklung der Säugetiere. „Der Zeitpunkt der Trennung von Plazentatieren und Beuteltieren ist entscheidend, um die Evolutionsraten dieser Tiergruppen zu bestimmen“, schreiben die Forscher. Die Paläontologen können damit nun besser als zuvor ermitteln, wie schnell sich Säugetiere im Laufe der Zeit weiterentwickeln.

160 Millionen Jahre altes Fossil des ältesten bekannten höheren Säugetiers, Juramaia sinensis; entdeckt wurde das Relikt in der chinesischen Provinz Liaoning. © Zhe-Xi Luo / Carnegie Museum of Natural History

Kletterkünstler auf Insektenjagd

Das Skelett von Juramaia sinensis liefert den Forschern auch wichtige Hinweise auf die Lebensweise des kleinen Ursäugers. Die Zahnform deute darauf hin, dass sich das Tier vorwiegend von Insekten ernährte, berichten sie. Aus der Form der Finger und den kräftigen Ansatzstellen der Handsehnen könne man schließen, dass Juramaia gut an das Klettern angepasst war.

Diese Fähigkeit könnte möglicherweise sogar entscheidend für die Weiterentwicklung und den Erfolg der höheren Säugetiere gewesen sein, vermuten die Forscher. Denn die Mehrheit der primitiven Säugetiere des Jura lebte ausschließlich am Boden. Juramaia konnte dagegen auf Bäume klettern und auch dort nach Nahrung suchen. „Diese frühe Anpassung daran, auch Nischen auf den Bäumen zu erobern, ebnete ihren Weg zum Erfolg“, sagt Luo. Das Fossil belege, dass die Vielfalt der Säugetiere und ihre evolutionäre Entwicklung im mittleren Jura weitaus fortgeschrittener gewesen sei als bisher angenommen, schreiben die Wissenschaftler.

Rekonstruktion des Skelettbaus (oben) und des möglichen Aussehens des ältesten höheren Säugetiers, Juramaia sinensis. © Mark A. Klinger / Carnegie Museum of Natural History

„Urmutter aus dem Jura“

Paläontologen entdeckten das Fossil bei Ausgrabungen in der chinesischen Provinz Liaoning in einer Gesteinsformation aus dem Zeitalter des Jura. Das Relikt besteht aus Teilen des Schädels, darunter dem Unterkiefer mit Zähnen, und Skelettknochen des Vorderkörpers und der Vorderbeine. Erhalten geblieben seien zudem auch einige Reste von Haaren und Weichteilen, berichten die Forscher.

Vor allem die Zähne und die Knochen der Vorderläufe erlaubten es den Paläontologen, das neue Fossil als Angehörigen der höheren Säugetiere zu identifizieren. Um dessen Stellung an der Wurzel dieser Tiergruppe zu betonen, tauften die Forscher es „Juramaia sinensis“ – „Chinesische Mutter aus der Zeit des Jura“. (Nature, 2011; DOI:10.1038/nature10291)

(Nature / Carnegie Museum of Natural History / dapd, 26.08.2011 – NPO)

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