Bei der sommerlichen Meereis-Bedeckung der Arktis könnte es in diesem Jahr ein neues Rekordtief geben. Dies haben deutsche Wissenschaftler gestern im Rahmen eines Arktis-Workshops in Bremen prognostiziert. Alles deute auf ein sehr niedriges September-Minimum hin. Vor vier Jahren wurde der bisherige Tiefstwert erreicht. Die Eisausdehnung war damals auf eine Fläche von 4,3 Millionen Quadratkilometer zurückgegangen.
„Wenn wir uns die aktuellen Satellitenkarten ansehen, wird deutlich, wie viel Eis noch bis zur Monatsmitte tauen wird. Die Eisdecke ist derzeit an den Rändern so stark aufgebrochen, dass die Sonneneinstrahlung die oberste Wasserschicht erwärmen kann und infolgedessen noch viele Schollen schmelzen werden“, sagt Professor Rüdiger Gerdes vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung.
Fotofinish in der Arktis
Von einem Fotofinish spricht auch Professor Lars Kaleschke vom KlimaCampus der Universität Hamburg. „Unsere Vorhersage auf statistischer Basis deutet auf einen fast genau so großen Eisverlust wie im Jahr 2007 hin, nur verteilen sich die Eismassen in diesem Jahr räumlich anders“, sagt der Meereisforscher. So gebe es in diesem Sommer auffällig große eisfreie Flächen innerhalb der Packeis-Zone, zum Beispiel in der Laptev-See im Norden Russlands.
„Dieses Loch erweckt den Eindruck, als sei das Eis hier von unten geschmolzen. Es tat sich Anfang August auf, wurde immer größer und hat inzwischen die Größe Hollands erreicht“, erklärt Kaleschke.
Geringe Eisdicke und Abtransport in eisfreie Regionen des Nordpolarmeeres
Zwei Faktoren scheinen in diesem Sommer eine wichtige Rolle zu spielen. Zum einen berichten Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Institutes, die erst vor kurzem an Bord des Forschungseisbrechers Polarstern bis zum Nordpol vorgedrungen waren, von einer sehr geringen Dicke des Meereises. Messungen hatten einen Durchschnittswert von 90 Zentimetern ergeben. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 hatte die Meereisdicke im Durchschnitt zwei Meter betragen.
Zum anderen gibt es einen steten Transport von Meereis in eisfreie Regionen des Nordpolarmeeres. „Dort sind die Wassertemperaturen wegen der Einstrahlung und Absorption hoch, sodass Schollen, die in dieses Gebiet driften, schnell abschmelzen“, erklärt Gerdes.
Endgültige Ergebnisse Ende September
Ob das diesjährige Meereis-Minimum am Ende tatsächlich unter der Rekordmarke aus dem Jahr 2007 liegen wird, entscheidet sich nach Angaben der Wissenschaftler aber erst am Ende des Monats.
(Universität Hamburg, 06.09.2011 – DLO)