Ein neuer Bluttest könnte in Zukunft frühzeitig Auskunft darüber geben, ob jemand an einer schwerwiegenden Erkrankung leidet. Anhand bestimmter Moleküle im Blut ist es deutschen Forschern gelungen, Multiple Sklerose, Herzentzündungen und verschiedene Tumorerkrankungen wie Bauchspeicheldrüsen- oder Eierstockkrebs sicher zu erkennen.
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„Die Trefferquote war in vielen Fällen sehr hoch“, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Methods“. So betrug sie bei einzelnen Krankheitsbildern, wie beispielsweise dem Hautkrebs, sogar bis zu 100 Prozent. Gemessen an den Tests, die bisher existieren, sei das ein sehr gutes Abschneiden, sagen die Forscher.
863 kleine Steuermoleküle im Blut untersucht
Für ihre Studie untersuchten die Forscher um Andreas Keller von der Universität des Saarlandes das Vorkommen von 863 kleinen Steuermolekülen im Blut von Patienten. Diese sogenannten microRNAs spielen eine wichtige Rolle bei der Genregulation in den Zellen. Anders als ihre Verwandten, die Ribonukleinsäuren (RNA), tragen sie nicht die Bauanleitung für bestimmte Proteine. Vielmehr lagern sie sich an bestimmte Abschnitte der RNA-Stränge an, wie die Forscher berichten. Die microRNAs beeinflussten so, welche Proteine gebildet werden. Damit seien sie auch an vielen Krankheitsprozessen beteiligt.
Die Untersuchung habe nun bestätigt, dass sich die microRNAs auch als frühe Anzeiger einer Krankheit eignen, sagen die Wissenschaftler. Immerhin 14 unterschiedliche Krankheiten seien mit dem Testsystem zuverlässig identifiziert worden. Darüber hinaus gebe der Zusammenhang zwischen microRNAs und den Krankheiten wichtige Einblicke in die Mechanismen, die solche Erkrankungen entstehen ließen.
Durchschnittlich 103 fehlregulierte microRNAs pro Krankheit
In ihrer Studie nahmen die Wissenschaftler 454 Blutproben von Patienten mit verschiedenen Krebsarten und anderen teilweise bisher schwer diagnostizierbaren Erkrankungen. Mit dem neuen Testverfahren suchten sie nach microRNA Signaturen, die eine Abgrenzung zu Gesunden erlauben und wurden fündig. „Im Durchschnitt haben wir für jede der Krankheiten 103 fehlregulierte microRNAs gefunden“, sagen sie. Die Anzahl dieser Moleküle sei entweder ungewöhnlich hoch oder zu niedrig gewesen.
So habe man Eierstockkrebs mit mehr als 90-prozentiger Sicherheit diagnostizieren können, Herzentzündungen und Multiple Sklerose mit 99-prozentiger Sicherheit. Die neue Testmethode habe sich damit als deutlich treffsicherer erwiesen als bisherige Diagnoseverfahren, sagen die Forscher
Bisher werden je nach Krebsart unterschiedliche Methoden der Früherkennung eingesetzt. Für Bauchspeicheldrüsenkrebs oder Magenkrebs beispielsweise werten Mediziner oft sogenannte Tumormarker im Blut aus. Diese Marker sind jedoch oft unspezifisch und können falsche positive Ergebnisse bringen. Die Früherkennung von Lungenkrebs beruht primär auf Röntgenuntersuchungen oder computertomografischen Aufnahmen. Auch hier gilt eine eindeutige, frühe Diagnose als schwierig.
Unterscheidung zwischen einzelnen Krankheiten unterschiedlich gut
Allerdings sei es bisher nicht für alle Organe gelungen, mit der neuen Methode zwischen unterschiedlichen Krankheiten zu differenzieren, sagen die Forscher. So habe man bei der Bauchspeicheldrüse nicht eindeutig zwischen Krebs und anderen Erkrankungen unterscheiden können.
„Das bedeutet aber nicht grundsätzlich, dass die microRNA-Profile von bösartigen und nicht-bösartigen Erkrankungen bei einem Organ gleich sind“, sagen die Forscher. So ließen sich Lungenkrebs und COPD anhand der winzigen Moleküle sogar mit einer Genauigkeit von 91,7 Prozent voneinander unterscheiden. COPD sind sogenannte „Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen“, die bei Belastung Symptome wie Husten oder Atemnot hervorrufen.
Die Wissenschaftler hoffen nun, auf Basis dieses micoRNA-Tests ein in der Praxis anwendbares Verfahren entwickeln zu können. Bis es soweit sei, könne allerdings noch einige Zeit verstreichen: „Da ist noch viel Arbeit, viel Geld und einiges an Untersuchungen notwendig, bis tatsächlich ein marktreifes Produkt die Zulassung erhält“, sagen die Forscher. (Nature Methods, 2011; doi:10.1038/nmeth.1682)
(Nature Methods / Universität Würzburg / dapd, 06.09.2011 – NPO/DLO)