Ökologie

Fischerei vernichtet Lebenswelt der Tiefsee

Industrielle Fangmethoden zerstören größtes Ökosystem des Ozeans

Granatbarsch © Pengo (Peter Halasz) / CC BY-SA 3.0

Die Lebenswelt in den Tiefen der Ozeane ist akut durch die Tiefsee-Fischerei gefährdet. Fische und andere Tiere der Tiefsee seien der modernen Fischereitechnologie nicht gewachsen, warnt ein internationales Forscherteam jetzt im Fachmagazin „Marine Policy“. In ihrer Studie dokumentieren die Wissenschaftler den Kollaps vieler Tiefsee-Fischbestände weltweit, darunter einiger Haiarten und des Granatbarschs. Zwar stamme nur rund ein Prozent der weltweit verzehrten Meeresfrüchte aus dem tiefen Ozean. Vor allem das Fischen mit Grundschleppnetzen hinterlasse aber tiefgreifende und bleibende Schäden in den sensiblen Ökosystemen der Tiefsee, berichten die Wissenschaftler.

„Die Tiefsee ist der schlechteste Ort auf der Welt, um dort Fisch zu fangen“, konstatiert Studienleiter Elliott Norse vom Marine Conservation Institute in Bellevue, Washington. „Tiefsee-Fische sind besonders empfindlich, weil sie sich nicht so schnell wieder vermehren können, nachdem sie überfischt wurden.“ Viele Arten benötigten mehrere Jahrzehnte um fortpflanzungsreif zu werden.

Eine nachhaltige Fischerei sei daher in der Tiefsee mit wenigen Ausnahmen nicht möglich, mahnen die Forscher rund eine Woche vor Beginn der UN-Verhandlungen zum Thema Tiefsee-Fischerei am 15. September. „Anstatt das größte, aber sensibelste Ökosystem der Erde zu überfischen, sollten die Länder lieber Maßnahmen ergreifen, um die Bestände in den Küstengewässern wieder aufzubauen“, sagt Norse.

Granatbarsch-Bestände bereits kollabiert

Als ein Beispiel für bedrohte Fischarten zitieren die Forscher den Granatbarsch (Hoplostethus atlanticus), im englischsprachigen Raum auch als „Orange Roughy“ bekannt. Dieser bis zu 75 Zentimeter lange Tiefseefisch benötigt 30 Jahre um geschlechtsreif zu werden. Der meist im Umfeld von Tiefseekorallen lebende Fisch kann ein Alter von bis zu 125 Jahren erreichen. Verglichen mit Fischen in Küstennähe lebe der Granatbarsch wie in Zeitlupe, sagen die Forscher.

„Vor 50 Jahren hat noch keiner Granatbarsch gegessen“, sagt Studienautor Daniel Pauly von der University of British Columbia. Doch seit den 1980er Jahren habe die Befischung dieser Art rapide zugenommen. Inzwischen seien die meisten Fanggebiete für diese Art dramatisch überfischt und die Bestände zusammengebrochen.

Schleppnetze zerstören ganze Korallenfelder

Als Tiefsee-Fischerei gilt der meist mit Schleppnetzen durchgeführte Fischfang in den tiefen Gewässern des offenen Meeres. Die Schleppnetze reichten dabei noch bis in mehr als 1.500 Meter Tiefe hinab, sagen die Forscher. Die mit Gewichten beschwerten Netze fingen nicht nur Fische, sie zerstörten auch Tiefseekorallen und damit wichtige Lebensgrundlagen für die Tiefseebewohner.

Eine Regeneration dieser Lebensräume sei in den vom Menschen überschaubaren Zeitmaßstäben jedoch nicht möglich, konstatieren die Wissenschaftler. Das dauere unter Umständen Jahrhunderte. „Das Leben in der Tiefsee an einem Ort nach dem anderen zu zerstören ist weder gut für unsere Ozeane noch für unsere Wirtschaft“, sagt Norse.

Die Hochseefischerei sei heute hoch subventioniert, die stattlichen Gelder machten teilweise bis zu 25 Prozent der Einnahmen aus, berichten die Forscher. Diese Praxis müsse geändert werden. „Die Regierungen sollten das Geld der Steuerzahler nicht dafür verschwenden, nicht-nachhaltige Fischereien am Leben zu erhalten“, sagt Norse. (Marine Policy, 2011; doi:10.1016/j.marpol.2011.06.008)

(Marine Policy / dapd, 09.09.2011 – NPO)

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