Biologie

Fisch bei der Werkzeugnutzung gefilmt

Korallenfisch knackt Muscheln mit Hilfe eines Steinambosses

Korallenfisch knackt Muscheln © Giacomo Bernardi, University of California

Zum ersten Mal haben Forscher einen Fisch beim gezielten Einsatz eines Werkzeugs gefilmt. In dem Video ist zu sehen, wie das zu den tropische Lippfischen gehörende Tier zu einem aus dem Sand herausragenden Stein schwimmt und dann mehrfach eine im Maul mitgetragene Muschel dagegen schlägt, um sie aufzubrechen.

„Der Fisch muss erst im Sand graben, um an die Muschel zu kommen. Dann muss er längere Zeit schwimmen, um eine passende Stelle zu finden, wo es die Muschel aufbrechen kann“, beschreibt Studienleiter Giacomo Bernardi von der University of California in Santa Cruz die Beobachtungen. Ein solches Verhalten erfordere vorausschauendes Denken, da dabei mehrere Schritte absolviert werden müssten. Für einen Fisch sei dies sehr ungewöhnlich, konstatiert der Forscher im Fachmagazin „Coral Reefs“.

Lippfische als Werkzeugnutzer

Bisher habe es nur drei Berichte über ähnliche Fälle von Werkzeugnutzung bei Fischen gegeben, sagt Bernardi. Bei allen seien Lippfische die Akteure gewesen und immer hätten diese einen Stein als Amboss genutzt. Unklar blieb aber, wie weit ein solches Verhalten innerhalb dieser Fischgruppe und unter den Fischen insgesamt verbreitet sei.

„Jetzt haben wir ein solches Verhalten nicht nur bei weiter entwickelten Lippfischarten beobachtet, sondern auch bei der primitiveren Gattung Choerodon“, schreibt der Forscher. Da zwischen diesen verschiedenen Gruppen rund 50 Millionen Jahre der Evolution lägen, sei die Werkzeugnutzung vermutlich eine allen Lippfischen gemeinsame Fähigkeit. Inwieweit dieses Verhalten auch bei anderen Fischen vorkomme, müsse nun noch untersucht werden.

Beobachtung am Südseeatoll Palau

Das Video des Muscheln knackenden Anker-Zahnlippfisches (Choerodon anchorago) filmte Bernardi morgens in einem Korallenriff vor Palau im tropischen Pazifik. Zuerst habe er den Fisch nur dabei beobachtet, wie er zweimal eine Muschel an einem vorstehenden Stück Stein oder Korallenskelett aufschlug, berichtet der Forscher. Dann habe er den nächsten Durchgang gefilmt.

Der Fisch habe jedes Mal rund fünf Minuten für den Prozess vom Finden der Muschel über das Knacken bis zum Verzehr seiner Beute gebraucht. „Der Fisch grub dabei zuerst die Muschel aus, indem er den Sand über ihr mit seinen Brustflossen wegfächelte“, schildert Bernardi. Dann habe er die Muschel ins Maul genommen und sei zu einer Stelle geschwommen, an der er einen harten Untergrund fand. Dort schlug der Lippfisch die Muschel mit einer seitlichen Kopfbewegung mehrfach gegen diesen Amboss, bis sie zerbrach.

Werkzeugnutzung keine Domäne des Menschen mehr

Lange Zeit galt die Werkzeugnutzung als rein menschliche Fähigkeit. Erst in den letzten mehren sich Beobachtungen, dass auch Tiere gezielt Steine, Stöcke und andere Werkzeugen einsetzen, um beispielsweise an Nahrung zu gelangen. Neben Affen gelten vor allem einige Vogelarten als begabte Werkzeugnutzer.

Über die Fähigkeiten von Fischen habe es aber bisher kaum Hinweise gegeben, berichtet der Forscher. Einziges Beispiel sei der Muschel-Amboss einiger Lippfische. Das müsse aber nicht heißen, dass nicht auch andere Fische zu einer Werkzeugnutzung fähig seien. „Wir verbringen nicht sonderlich viel Zeit damit, unter Wasser Fische zu beobachten“, sagt Bernardi. Es könnte daher bisher schlicht übersehen worden sein. (Coral Reefs, 2011; DOI: 10.1007/s00338-011-0823-6)

Link zum Video auf Youtube

(Coral Reefs / dapd / University of California, 04.10.2011 – NPO)

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