Der fleischfressende Dinosaurier Carnotaurus war gefährlicher als bisher angenommen. Wie kanadische Forscher festgestellt haben, machte sein gewaltiger Schwanzmuskel den sieben Meter langen Saurier zu einem der schnellsten Sprinter seiner Zeit. Das zeige eine Rekonstruktion der Muskulatur anhand eines Fossils dieser Dinosaurierart, die vor rund 75 Millionen Jahren in Südamerika lebte. Über die Ergebnisse dieser Rekonstruktion berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „PloS ONE“.
Der ungewöhnlich große Schwanzmuskel des Carnotaurus war mit Sehnen an den hinteren Oberschenkeln des Dinosauriers befestigt, berichten die Forscher. „Die Kombination von Muskelgröße und Sehnen gab dem Carnotaurus kräftige Beine, die eine extrem energievolle Vorwärtsbewegung ermöglichten“, sagt Erstautor Scott Persons von der University of Alberta in Edmonton.
Sprinter mit Schwachstelle
Lange, rippenartige Wirbelausläufer stützten den Schwanzmuskel und gaben ihm Halt, wie das Skelett des Sauriers zeige. Der Muskel selbst sei größer und kräftiger als alle von fossilen oder heute lebenden Tieren bekannten, berichten die Forscher. Mit einem Gewicht von rund 222 Kilogramm entsprach dieser sogenannte caudofemoral-Muskel 18,2 Prozent des gesamten Körpergewichts des Carnotaurus.
Eine Schwachstelle habe der urzeitliche Sprinter jedoch gehabt, sagt Persons: Die Wirbelfortsätze machten den Schwanz steif und erschwerten dem Raubsaurier daher schnelle, flüssige Drehungen. „Stellen Sie sich vor, Sie wären ein kleiner, pflanzenfressender Dinosaurier in den Ebenen des urzeitlichen Argentiniens und Sie würden von einem hungrigen Carnotaurus verfolgt“, sagt Persons. „Ihre beste Chance wäre es dann, eine Reihe von schnellen Wendungen zu machen, denn in geradem Lauf war Carnotaurus nicht zu schlagen.“
Rekonstruktion der Muskulatur mittels Computermodell
Für ihre Studie analysierten die Forscher das Skelett eines im Naturkundemuseum von Los Angeles ausgestellten Carnotaurus sastrei, sowie weiterer aus Südamerika stammender verwandter Arten.
Aus Basis der Skelettformen und biomechanischer Gesetzmäßigkeiten erstellten die Forscher eine Computerrekonstruktion der Muskeln und Sehen der Tiere. Der Vergleich dieser Rekonstruktionen habe gezeigt, dass der hochspezialisierte Schwanzmuskel des Carnotaurus sich nach und nach entwickelt haben müsse, sagt Persons. Ältere Arten dieser Verwandtschaftsgruppe hätten bereits kleinere, weniger stark ausgeprägte Versionen dieser Sprinthilfe besessen.
Tyrannosaurus besaß ähnlichen Bewegungsapparat
Die Forscher um Persons hatten erst vor kurzem auch beim Tyrannosaurus rex festgestellt, dass der Schwanz eine wichtige Rolle für das Laufen spielte. Auch T. rex besaß einen kräftigen Schwanzmuskel, der ihm das Schwingen der Hinterbeine erleichterte.
Nach Angaben von Persons war der Fleischfresser damit auf jeden Fall schnell genug, um lebende Beute zu jagen – und nicht nur Aas zu fressen, wie zuvor angenommen. „Bis dahin dachte viele Dinosaurierforscher, dass der große Schwanz des Tyrannosaurus rex nur als Gegengewicht für den schweren Kopf diente“, sagt Persons. Ob Tyrannosaurus ein ebenso guter Sprinter wie Carnotaurus war, bleibt allerdings noch offen. (PloS ONE, 2011; doi:10.1371/journal.pone.0025763)
(PloS ONE / dapd, 19.10.2011 – NPO)