Dabei „entsorgten“ Deutschland, England, Frankreich, Belgien und die Niederlande 1967 insgesamt 10.895 Tonnen schwach- und mittelradioaktiven Abfall 400 Kilometer vor der portugiesischen Küste. Der deutsche Atommüll stammte von der Gesellschaft für Kernforschung mbH in Karlsruhe.
Aufgeplatzte und löchrige Atommüllfässer
„Report Mainz“ zeigte in seiner gestrigen Sendung Unterwasseraufnahmen von aufgeplatzten und löchrigen Atommüllfässern, die Greenpeace im Jahr 2000 in einer Tiefe von etwa 100 Metern im Ärmelkanal gefunden hatte. Im selben Jahr untersuchte die Bundesforschungsanstalt für Fischerei das deutsche Versenkungsgebiet im iberischen Atlantikbecken und stellte in ihrem Abschlussbericht fest, „dass aus den Abfallbehältern frei gesetzte Radioaktivität in der Biosphäre angekommen ist“.
Die letzten Untersuchungen in den Versenkungsgebieten wurden nach Angaben der Bundesregierung im Jahr 2005 durchgeführt. Allerdings waren die Messergebnisse aufgrund technischer Probleme unbrauchbar. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) arbeitet derzeit an einem aktualisierten Bericht über das gesamte radioaktive Material, das versenkt wurde, so „Report Mainz“. Dabei handelt es sich um Alpha-, Beta- und Gammastrahler. Zum Teil wurde auch das radioaktive Gas Tritium in beschwerten Fässern versenkt. Insgesamt enthalten die Fässer rund zehnmal mehr Radioaktivität als alle Abfälle, die in den Schacht Asse eingebracht wurden.
„Tickende Zeitbombe“?
Matthias Keller, der Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Fischindustrie, erklärte in „Report Mainz“: „Wir erwarten jetzt von der Bundesregierung, dass sie alle notwendigen Maßnahmen, im Rahmen der Risikomanagementpläne veranlasst, um sicherzustellen, dass von diesen Fässern keine Gefahr für die Umwelt ausgeht.“
Tobias Riedl von Greenpeace hält den versenkten Atommüll für „eine tickende Zeitbombe“. Im Interview mit „Report Mainz“ forderte er von der Bundesregierung ein Monitoringsystem in den Versenkungsgebieten: „Hier müssen Messungen vor Ort kontinuierlich vorgenommen werden.“
Das Bundesumweltministerium betonte auf Anfrage von „Report Mainz“, man sehe „keinen Anlass zu regelmäßigen Überwachungen des Versenkungsgebietes. Die in Fischen gemessenen Radioaktivitätskonzentrationen würden bei einem Verzehr zu Dosen im Nanosievert-Bereich führen.“
SPD fordert transparente und ergebnisoffene Endlagersuche
Matthias Miersch, der Umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erklärte dagegen: „Ich erwarte von der Bundesregierung, sich ohne ‚Wenn und Aber‘ für die Sicherung dieser ökologisch katastrophalen, radioaktiven Abfälle unter Wasser einzusetzen und ein umfangreiches Monitoring der Fässer auf europäischer Ebene sicherzustellen.“ Eine unnatürliche Anreicherung von radioaktiven Stoffen in Nahrungsmitteln und Umwelt sei – unabhängig von der Konzentration – inakzeptabel.
Auch wenn früher Atommüll nicht mit der gebotenen Vorsicht und Voraussicht gelagert wurde, sei dies keine Entschuldigung dafür, die Zustände einfach so hinzunehmen. „In Deutschland zeigt uns die Asse, was die Folgen unkontrollierter Verklappung sind. Verrottende Fässer mit atomarem Abfall im Meer machen umso deutlicher, warum in Deutschland endlich eine transparente und ergebnisoffene Endlagersuche beginnen muss.“
BUND: Rückholung der Atommüllfässer prüfen
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte die Bundesregierung auf, die Rückholung der Atommüllfässer zu prüfen. Rüdiger Rosenthal, BUND-Sprecher: „Mit diesem Desaster im Nordostatlantik und dem Übertreten radioaktiver Nuklide in Fischen und damit in die menschliche Nahrungskette war leider zu rechnen. Die Altlasten der Atomindustrie werden Umwelt und Menschen noch über Generationen schädigen und exorbitante Kosten verursachen. Umso wichtiger ist der sofortige Atomausstieg in Deutschland und eine deutliche Beschleunigung des weltweiten Ausstiegs aus dieser Risikotechnologie.“
Bundesumweltminister Norbert Röttgen müsse außerdem ein Konzept vorlegen, wie mit den Risiken des am Meeresboden auslaufenden Strahlenmaterials umgegangen werden solle. Dabei sei auch die Option einer Bergung der Atommüllfässer zu prüfen. „Die Kosten für eine eventuelle Rückholung müssen jene neun Staaten tragen, die die mehr als 220.000 Fässer ins Meer versenkt haben“, so Rosenthal.
(Report Mainz, 02.11.2011 – DLO)
2. November 2011