An den hohen Methankonzentrationen in sibirischen Küstengewässern ist nicht – wie bisher angenommen – der aktuelle Klimawandel schuld. Stattdessen handele es sich um Spätfolgen einer Klimaveränderung, die bereits vor mehreren tausend Jahren begann. Ängste, dass der Permafrostboden im Nordmeer durch die menschengemachte Erwärmung bereits auftaue, seien daher noch unbegründet, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Journal of Geophysical Research – Oceans“.
Im vergangenen Jahr hatten Studien für Aufsehen gesorgt, die im Wasser der flachen Küstenmeere Ostsibiriens ungewöhnliche hohe Konzentrationen des Treibhausgases Methan nachwiesen. Methan wird aus gefrorenem Meeresboden vor allem dann frei, wenn dieser auftaut. Die Methanfunde schürten daher Besorgnis darüber, dass der Klimawandel diesen Auftauprozess des Permafrosts bereits in Gang gesetzt haben könnte.
Erwärmung nicht ausreichend, um Permafrost aufzutauen
Doch diese Besorgnis sei verfrüht, sagen die Wissenschaftler. Das zeige die Auswertung von Wetterdaten und Meeresbedingungen in den letzten 90 Jahren. „Tatsächlich zeigen diese Daten eine deutliche Erwärmung der bodennahen Wasserschichten von 2,1 Grad Celsius seit Mitte der 1980er Jahre“, sagt Erstautor Igor Dmitrenko vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in Kiel. Doch diese Erwärmung hätte nicht ausgereicht, um den unterseeischen Permafrost aufzutauen. Stattdessen stamme das jetzt im Meer gemessene Methan aus einem Tauprozess, der bereits nach der letzten Eiszeit begonnen habe.
Wie die Forscher berichten, entstanden die heute unter Wasser liegenden Permafrostböden während der Eiszeit an Land. Erst als vor gut 8.500 Jahren der Meeresspiegel anstieg, wurden sie überschwemmt. Dadurch stieg die Temperatur in den Böden von zuvor durchschnittlich minus 13,5 Grad Celsius auf nur noch minus 1,5 Grad Celsius an. Diese Erwärmung habe einen langsamen Tauprozess ausgelöst, der bis heute anhalte, sage die Forscher. Er sei daher für das Methan im sibirischen Nordmeer verantwortlich, nicht der aktuelle Klimawandel.
Noch isoliert das Sediment den Permafrost
Bis der aktuelle, von Menschen verursachte Klimawandel die unterseeischen Permafrostböden erreicht, könne noch viel Zeit vergehen. „Die dicken Sedimentschichten, die sich in den vergangenen Jahrtausenden auf dem Meeresboden abgelagert haben, sind eine gute Isolierschicht“, sagt Dmitrenko. Wie lange diese Isolierung die Böden noch vor der Erwärmung abschirmt, sei aber schwer zu ermitteln. „Das hängt von sehr vielen Faktoren ab“, meint der Forscher. Daher könne man nur spekulieren.
Entwarnung in Sachen Klimawandel will Dmitrenko trotzdem nicht geben: „Erstens gelten unsere Ergebnisse nicht für Permafrostböden an Land.“ Und zweitens habe man ja leichte Temperaturerhöhungen im arktischen Ozean nachgewiesen. Diese wirkten zwar noch nicht auf den Permafrost, hätten dafür aber andere gravierende Auswirkungen auf das Klimasystem und die Ökologie der Arktis.
Projekt „System Laptev-See“
Für ihre Studie nutzten die Wissenschaftler unter anderem meereskundliche und meteorologische Daten des Staatlichen Instituts für Arktis und Antarktisforschung (AARI) Russlands, die bis ins Jahr 1920 zurückreichen. Diesen umfangreichen Datensatz ergänzten die Forscher mit neueren Messungen, die zwischen 1993 und 2009 im Rahmen des deutsch-russischen Projektes „System Laptev-See“ in den ostsibirischen Schelfgebieten gewonnen wurden. (Journal of Geophysical Research – Oceans, 2011; doi: 10.1029/2011JC007218)
(Journal of Geophysical Research – Oceans / Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) / dapd, 17.11.2011 – NPO)