Zoologie

Chemische Waffe schützt Spinnennetze vor Ameisenangriffen

Forscher entdecken bisher unbekannte Eigenschaft von Spinnfäden

Ein Weibchen der tropischen Radnetzspinne Nephila antipodiana (groß) in ihrem Netz mit einem sehr viel kleineren Männchen. © Daiqin Li

Forscher haben aufgeklärt, warum die Netze von Radnetzspinnen so selten von Ameisen betreten und ausgeraubt werden: Die Spinnen schützen sich und ihr Netz mit einem chemischen Wirkstoff gegen ihre Feinde. Der auf den Haltefäden des Netzes aufgebrachte Abwehrstoff werde von den Ameisen gemieden und halte sie dadurch fern, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences“.

„Dies ist der erste Beleg dafür, dass Spinnen einen chemischen Abwehrstoff gegen natürliche Feinde auf ihren Spinnfäden produzieren“, schreiben Daiqin Li von der University of Singapore und seine Kollegen. Die chemische Waffe, ein Alkaloid, schütze nicht nur die Spinne selbst vor den Angriffen räuberischer Ameisen, sie verhindere auch, dass diese ihre Beute stehlen.

Entdeckt hatten die Forscher das Alkaloid auf Spinnfäden der Radnetzspinne Nephila antipodiana. Diese in den Tropen verbreitet Seidenspinnen-Art webt große, stabile Netze, deren feine Fangfäden alle paar Tage erneuert werden. Die Haltefäden bleiben dagegen über mehrere Wochen erhalten. „Ameisen, die das Netz der Spinnen betreten wollen, müssen erst diese Haltefäden überqueren“, erklären die Forscher. Auf diesen Fäden habe man den Abwehrstoff nachgewiesen.

Neue Eigenschaft der Spinnseide entdeckt

In Versuchen im Labor weigerten sich drei verschiedene Ameisenarten, darunter auch die bekannten Pharao-Ameisen, einen mit diesem Abwehrstoff behandelten Spinnfaden zu betreten. „Ameisen, die mit dem Spinnfaden in Berührung kamen, zogen sich sofort zurück“, berichten Li und seine Kollegen. Fäden ohne das Alkaloid wurden dagegen ohne Zögern von den Insekten überquert, um zu einem Köder zu gelangen.

Mit diesem Abwehrmittel und seiner Wirkung habe man eine weitere, zuvor unbekannte Eigenschaft der Spinnseide entdeckt, meinen die Forscher. Der Fund des Alkaloids auch auf den Fäden anderer Spinnenarten deute darauf hin, dass diese Substanz wahrscheinlich von vielen Radnetzspinnen als Ameisen-Abwehrmittel eingesetzt werde.

Die tropische Radnetzspinne Nephila antipodiana, hier mit eingesponnener Beute in ihrem Netz, schützt sich durch einen chemischen Abwehrstoff auf ihren Spinnfäden vor räuberischen Ameisen. © Daiqin Li

Kleine Jungspinnen produzieren keinen Abwehrstoff

Bei ihren Analysen fanden die Forscher das Alkaloid nur auf den Haltefäden von älteren Spinnen, nicht aber auf denen kleinerer Jungspinnen. Warum, habe sich in den Laufversuchen mit Ameisen gezeigt: Der feine Spinnfaden der kleineren Jungtiere sei auch ohne das Alkaloid für die Ameisen nicht passierbar gewesen, berichten die Wissenschaftler.

Er sei vier bis sieben Mal dünner als der Faden der älteren Spinnen und daher nicht stabil genug, um das Gewicht der Ameisen zu tragen. „Die Netze der Jungspinnen benötigen daher keinen zusätzlichen Abwehrstoff“, schreiben die Forscher.

Kein bloßes Nebenprodukt der Spinnfädenherstellung

Nach Ansicht der Forscher ist die Tatsache, dass nicht alle Seidenspinnen von Anfang an dieses Alkaloid produzieren ein wichtiger Hinweis. „Es deutet daraufhin, dass der Abwehrstoff kein ohnehin anfallendes Nebenprodukt der Spinnfadenherstellung ist“, schreiben sie. Stattdessen sei das Alkaloid ein aktiver, speziell produzierter Abwehrmechanismus, der nur von den Spinnen eingesetzt werde, die ihn auch benötigten.

„Wir gehen deshalb davon aus, dass man bei Radnetzspinnen unter vier Millimetern Körpergröße oder mit Fäden dünner als drei Mikrometern dieses Alkaloid nicht finden wird“, konstatieren die Forscher. Diese seien durch ihre zu feinen Netze ohnehin gegen Ameisenangriffe geschützt. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2011; doi:10.1098/rspb.2011.2193)

(Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences / dapd, 23.11.2011 – NPO)

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