Massearme und damit auch sehr lichtschwache Sterne sind extrem schwer mit dem Teelskop zu finden. Jetzt hat ein Team von Astrophysikern erstmals einen solchen Zwergstern in dem Kugelsternhaufen M22 nachgewiesen. Dieser Fund deute darauf hin, dass die Gesamtmasse von Kugelsternhaufen möglicherweise ohne die rätselhafte Dunkle Materie zu erklären sei, berichten die Forscher in einer der nächsten Ausgaben des Fachmagazins „Astrophysical Journal Letters“.
Bisher vermutete man bloss, dass es sie geben muss: Massearme und damit extrem lichtschwache Sterne. Doch angesichts der riesigen Distanzen und der schwachen Leuchtkraft von massearmen Sternen versagen selbst modernste Teleskope. Nun weist eine polnisch-chilenische Forschungsgruppe zusammen mit dem Schweizer Astrophysiker Philippe Jetzer von der Universität Zürich den ersten massearmen Stern im Kugelsternhaufen M22 auf indirektem Weg nach. Dabei handelt es sich um einen Zwergstern mit etwas weniger als einen Fünftel der Masse unserer Sonne. Er liegt 3,2 Kiloparsec entfernt, wobei ein Kiloparsec 3.210 Lichtjahren entspricht.
Zufall verhalf zur Entdeckung
Den weit entfernten und lichtschwachen Stern entdeckten die Forscher nur durch einen glücklichne Zufall: Im August 2000 stellten polnische Astronomen fest, dass die Helligkeit eines rund zwei Bogenminuten vom Zentrum des Kugelsternhaufens M22 entfernten Sterns während zwanzig Tagen zunahm. Sie vermuteten, dass das Phänomen auf einen sogenannten Gravitationsmikrolinseneffekt zurückzuführen sei. Dieser beruht darauf, dass sich Licht in der Nähe von großen Massen entlang von gekrümmten Bahnen und nicht geradlinig ausbreitet. Die Helligkeit eines Sterns wird durch die Gravitation eines vor ihm durchziehenden Objekts, das als Linse wirkt, kurzzeitig vergrößert. Der Stern erscheint für kurze Zeit heller, um dann nach dem Durchgang der Linse wieder schwächer zu leuchten.
Um diese Vermutung zu bestätigen, holten die Astronomen den Gravitationsmikrolinsen-Spezialisten Philippe Jetzer von der Universität Zürich in ihr Team. Die am 17. Juli 2011 durchgeführte Kontrollmessung mit dem Acht-Meter-Teleskop des Very Large Telescope der ESO mit adaptiver Optik auf dem Paranal in Chile bestätigte die Vermutung. Die Detailanalyse zeigte, dass die Quelle außerhalb von M22 liegt. „Als Linse wirkte ein massearmer Stern innerhalb des Kugelsternhaufens selbst“, erklärt Jetzer.
Massearme Sterne anstelle von Dunkler Materie?
Für die Astrophysik ist der erste Nachweis eines massearmen Sterns in einem Kugelsternhaufen von grosser Bedeutung, erlaubt er doch neue Aussagen über den Aufbau von Kugelsternhaufen. Bislang konnte die Gesamtmasse von Kugelsternhaufen nicht erklärt werden, außer mit Dunkler Materie, deren Existenz aber unbewiesen ist. „Die Gesamtmasse oder zumindest ein wesentlicher Teil von Kugelsternhaufen lässt sich jetzt aber auch durch das Vorhandensein von bislang nicht detektierbaren massearmen, lichtschwachen Sternen erklären“, sagt Jetzer. (Astrophysical Journal letters, 2011. arXiv: 1112.0562v1)
(Universität Zürich, 16.12.2011 – NPO)