Übernutzte, nährstoffreiche Gewässer gelten bereits seit langem als wichtige Quelle für das klimaschädliche Treibhausgas Methan. Berliner Wissenschaftler haben nun gezeigt, dass auch in Seen mit viel Sauerstoff und intakter Nährstoffbilanz Methan gebildet wird und in die Atmosphäre entweichen kann.
Binnengewässer blieben als Quelle von Treibhausgasen bislang eher unbeachtet. Forscher gehen aber davon aus, dass 70 Prozent des natürlichen Methangehalts der Atmosphäre aus Flüssen und stehenden Gewässern stammt. Bisher vermutete man, dass hauptsächlich in nährstoffreichen und sauerstoffarmen Seen viel Methan produziert wird.
Das Team um Hans-Peter Grossart vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) konnte nun in einer in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) erschienenen Studie erstmals nachweisen, dass auch in nährstoffarmen und sauerstoffreichen Seen Methan gebildet wird.
Mikroben zersetzen sedimentierte Stoffe
In den Schlamm am Grunde eines Sees dringt der Sauerstoff nur wenige Millimeter tief ein. Sauerstoffmeidende, anaerobe Bakterien zersetzen dort die sedimentierten Stoffe. Dabei können unter anderem Methan und Kohlendioxid entstehen. Diese Gase werden im Wasser von anderen Mikroorganismen genutzt, aber ein gewisser Anteil entweicht Wissenschaftlern zufolge auch in die Atmosphäre.
Je nach Nährstoffgehalt des Gewässers unterscheidet sich die Aktivität der dort vorkommenden Bakteriengemeinschaften und damit die Menge an produziertem Methan und Kohlendioxid.
Methanbildenden und -verbrauchenden Bakterien auf der Spur
Die IGB-Wissenschaftler arbeiten seit einiger Zeit daran, methanbildende und -verbrauchende Bakterien in Gewässern zu identifizieren. Im Stechlinsee, einem nährstoffarmen See, wiesen die Forscher in den gut durchlüfteten oberen zehn Metern Wassersäule eine Anreicherung von Methan nach. Die maximale Methanproduktion fand laut der neuen Studie in sechs Metern Tiefe statt, wo die Sauerstoffkonzentrationen sogar übersättigt waren.
„Der Grund für die erhöhten Methankonzentrationen ist, dass auch in den sauerstoffhaltigen Zonen des Sees Methan produziert wird und gleichzeitig die Produktion und die Oxidation von Methan räumlich getrennt stattfinden“, erklärt Grossart. In den Sommermonaten seien Seen wie der Stechlin stark geschichtet, so dass die methanoxidierenden Bakterien das in den gut durchlüfteten oberen Schichten des Sees gebildete Methan nicht abbauen könnten. Daher träten dort erhöhte Methankonzentrationen auf.
Laborergebnisse bestätigen Freilandbeobachtungen
Diese Freilandbeobachtungen ließen sich auch im Labor mit Seewasser und den entsprechenden Bakterien nachweisen. Die Methanproduktion wurde durch die Zugabe von Phosphor als Nährstoff nicht beeinflusst, so die Forscher. Diese Ergebnisse zeigen, dass unabhängig vom Sauerstoffgehalt Methan in Seen gebildet werden kann. Die Wissenschaftler vermuten, dass die hierfür verantwortlichen Bakterien, potenziell methanbildende Archaeen sind, früher auch Urbakterien genannt. Diese kommen in enger Nachbarschaft zu bestimmten Algenarten vor.
Durch die enge Kopplung der Mikroben ist den Forschern zufolge der direkte Transfer von molekularem Wasserstoff und organischen Verbindungen zu den Archaeen möglich, ohne dass der freie Sauerstoff die Methanbildung beeinflusst.
Dies stehe im krassen Widerspruch zu der langjährigen wissenschaftlichen Meinung, dass Methan nur in sauerstofffreiem Milieu gebildet werden kann. Die Umwandlung von Wasserstoff zu Methan in Anwesenheit von Sauerstoff biete nun interessante biotechnologische Möglichkeiten, so die Wissenschaftler.
Ergebnisse wichtig für die Klimaforschung
„Darüber hinaus tut die Klimaforschung gut daran, die Rolle der Binnengewässer für den Ausstoß von Klimagasen stärker zu berücksichtigen“, so Grossart. Kollegen aus seiner Abteilung hatten in einer früheren Studie berechnet, dass im Sommer pro Hektar Wasserfläche eines nährstoffreichen, sauerstoffarmen Sees täglich 12.000 Liter klimarelevantes Gas entweicht und die Luft mit 6,2 Kilogramm Kohlenstoff belastet.
„Angesichts einer Fläche von 2,5 Millionen Quadratkilometern, die Binnengewässer weltweit einnehmen, wird die Dimension des Problems klar“ meint Grossart. Auch wenn in einem intakten Gewässer wie dem Stechlinsee eine Methanbildung nachgewiesen werden konnte, sind trotzdem vor allem stark mit Nährstoffen belastete Gewässer eine Quelle für klimarelevante Gase wie Methan und Kohlendioxid.
„Den ökologischen Zustand von Gewässern zu verbessern ist demnach auch ein Beitrag zum Klimaschutz“, so Grossart. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2011; doi: 10.1073/pnas.1110716108)
(Forschungsverbund Berlin, 21.12.2011 – DLO)