Einer der wichtigsten Faktoren für das europäische Klima wird sich in näherer Zukunft nicht wesentlich ändern: Die Meeresströmung im Atlantik, die warmes Wasser an die Küsten Europas transportiert, schwächt sich in den kommenden vier Jahren nicht ab. Das berichten Hamburger Forscher im Fachmagazin „Science“. Für ihre Berechnungen hatten sie ein Prognosemodell der Atlantikzirkulation erstellt und dieses anhand von Messdaten überprüft.
„Für alle berechneten Varianten deuten die Vorhersagen auf eine im allgemeinen stabile Zirkulation bis mindestens zum Jahr 2014 hin“, schreiben die Forscher. Abgesehen von dem üblichen Auf und Ab im Laufe der Jahreszeiten werde es keine Veränderung geben. Die Wissenschaftler entkräften damit Befürchtungen, nach denen die Strömung im Nordatlantik durch den Klimawandel bereits nachgelassen habe.
„Wir können jetzt auch mit Sicherheit sagen, dass es sich bei einer Abschwächung der Atlantikzirkulation im März 2010 nur um ein kurzzeitiges Phänomen handelte“, sagt Erstautorin Daniela Matei vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Während des Frühjahrs 2010 hatte die Meeresströmung leicht nachgelassen und dadurch wahrscheinlich auch zu dem außergewöhnlich frostigen Winter 2009/10 beigetragen.
Einfluss auf das globale Klima
Der Verlauf und die Stärke der Meeresströmungen haben einen großen Einfluss nicht nur auf das europäische, sondern auch auf das globale Klima. Die weltweite Ozeanzirkulation bringt warmes Wasser in die Polarregionen. Dort kühlt es sich ab, sinkt in tiefere Meeresschichten und strömt dort zurück in gemäßigte und tropische Breiten.
Vorhersagen für die Atlantikzirkulation sind daher auch wichtig für die Vorhersage des Klimas. „Dass wir nun die Atlantikzirkulation für mehrere Jahre vorhersagen können, bedeutet für Klimaprognosen über einige wenige Jahre einen großen Fortschritt“, sagt Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie und Leiter der Studie. Es handele sich dabei um die weltweit erste Vorhersage für die Entwicklung dieser Meeresströmung.
Vorhersagemodell mit Messdaten vergangener Jahre geeicht
Die Aussagekraft ihrer Vorhersage verdanken die Forscher vor allem der Tatsache, dass inzwischen Messdaten zur Stärke der Atlantikzirkulation vorliegen. Das sei bisher für keine andere dieser Ozeanbewegungen der Fall, und auch bei dieser gebe es sie nur auf Höhe eines Breitengrads 26,5 Grad Nord, etwa auf Höhe der Kanarischen Inseln. Dieser Bereich wird von Wissenschaftlern des National Oceanography Centre im britischen Southampton kontinuierlich überwacht.
Für ihre Studie entwickelten die Forscher zunächst ein Modell der Atlantikzirkulation. Dafür passten sie ein Ozean-Klimamodell des Max-Planck-Instituts an ihre Erfordernisse an. Dieses Modell berücksichtigt zahlreiche klimatische und physikalische Fakoren, die die Bewegungen des Ozeans beeinflussen, wie beispielsweise Winde, Luftdruck oder Temperaturen.
Um die Treffsicherheit ihres Prognosemodells zu überprüfen, erstellten sie damit zunächst Vorhersagen für die vergangenen Jahre. Diese Ergebnisse verglichen sie dann mit den Messdaten der britischen Forscher. Die Simulation für die Vergangenheit habe dabei gut mit den Daten übereingestimmt, sagt Matei. Daher könne man davon ausgehen, dass das Modell auch für die Zukunft brauchbare Prognosen liefere.
Allerdings zeigte der Vergleich zwischen Modellrechnung und Messdaten auch, dass die Simulation nicht über das vierte Jahr hinaus zuverlässig in die Zukunft blicken kann. Die Hamburger Wissenschaftler wollen nun ihre Simulationen so verbessern, dass sie auch für mehr als vier Jahre belastbare Vorhersagen treffen können. (Science, 2012; doi: 10.1126/science.1210299)
(Max-Planck-Institut für Meteorologie / Science, 06.01.2012 – NPO)