Mechanismus des sich selbst erzeugenden Urstoffwechsels entwickelt
„Auf diese Weise entsteht das Leben nach von Anfang an feststehenden Gesetzen der Chemie zwangsläufig und in einer vorgegebenen Richtung“, erklärt Günter Wächtershäuser von der Universität Regensburg. Er hat den Mechanismus des sich selbst erzeugenden Urstoffwechsels theoretisch entwickelt – ein Laborbeweis jedoch fehlte bislang.
Nun gelang es Wissenschaftlern um Claudia Huber und Wolfgang Eisenreich am Lehrstuhl für Biochemie der TUM, in enger Zusammenarbeit mit Wächtershäuser erstmals die Möglichkeit eines solchen, sich selbst anregenden Mechanismus im Labor direkt nachzuweisen. „Durch die Kombination moderner analytischer Verfahren erhalten wir immer mehr Einblicke in die molekularen Details des faszinierenden Reaktionsgeschehens“, sagt Eisenreich.

Claudia Huber mit einem der Autoklaven, in denen die Reaktionen durchgeführt wurden. © Andreas Battenberg / TU München
Ursprung der Kettenreaktion
Die zentrale Rolle kommt hierbei nach Angaben der Forscher dem aus Verbindungen der Übergangsmetalle Nickel-Cobalt- oder Eisen bestehenden Katalysator zu. Er sorgt nicht nur dafür, dass die ersten Biomoleküle überhaupt entstehen können, sondern bildet zudem den Ursprung der Kettenreaktion. Der Grund: Die aus den vulkanischen Gasen gerade erst neu entstandenen Biomoleküle greifen am Zentrum des Übergangsmetall-Katalysators an und ermöglichen so weitere chemische Reaktionen, in denen ganz neue Biomoleküle geschaffen werden.
„Diese Kopplung zwischen Katalysator und organischem Reaktionsprodukt ist der erste Schritt“, erklärt Wächtershäuser. „Leben entsteht, wenn es im Folgenden zu einer ganzen Kaskade weiterer Kopplungen kommt, die schließlich auch zur Bildung einer Erbsubstanz und erster Zellen führt“.
Forscher ahmen Bedingungen hydrothermaler Strömungskanäle nach
In ihren Versuchen ahmten die Forscher die Bedingungen hydrothermaler Strömungskanäle nach und etablierten ein wässrig-metallorganisches System, das eine ganze Reihe verschiedener Biomoleküle produziert, darunter auch die Aminosäuren Glycin und Alanin. Hierbei diente den Wissenschaftlern zufolge eine Cyano-Verbindung als Kohlenstoffquelle und Kohlenmonoxid als Reduktionsmittel. Nickelverbindungen erwiesen sich in den Versuchen als der effektivste Katalysator.
Das entstandene Glycin und Alanin führten die Biochemiker dann einem weiteren System zu, das wiederum zwei neue Biomoleküle herstellte. Das Ergebnis: Die beiden Aminosäuren erhöhten die Produktivität des zweiten Systems um das Fünffache.
Weitere Forschung nötig
In einem nächsten Schritt wollen die Forscher nun die Bedingungen der vulkanisch-hydrothermalen Systeme, in denen das Leben vor Jahrmilliarden entstanden sein könnte noch genauer nachstellen. „Wir simulieren hierzu zunächst bestimmte Stadien in der Entwicklung eines vulkanisch-hydrothermalen Strömungssystems, um die wichtigen Parameter heraus zu finden“, erklärt Wächtershäuser. „Erst danach können wir uns mit der rationalen Konstruktion eines Strömungsreaktors befassen“.
Die Ergebnisse der Wissenschaftler um Wächtershäuser und Eisenreich zeigen, dass die Entstehung und Evolution von Leben im heißen Wasser vulkanischer Schlote praktisch möglich ist. Die Resultate offenbaren Vorteile dieser Theorie im Vergleich zu anderen Ansätzen. In den vulkanischen Schloten ändern sich Temperatur, Druck und pH-Wert entlang des Strömungswegs und bieten so ein graduelles Spektrum von Bedingungen, das allen Stadien der frühen Evolution zuträglich ist, bis hin zur Entstehung der ersten Erbsubstanz (RNA/DNA).
Autonomie wichtigste Systemeigenschaft
Die wichtigste Eigenschaft des Systems jedoch ist den Wissenschaftlern zufolge seine Autonomie: Der erste Stoffwechsel wäre hier anders als beispielsweise beim Konzept einer „kühlen Ursuppe“ nicht auf Zufallsereignisse oder eine Jahrtausende andauernde Ansammlung wesentlicher Komponenten angewiesen. Ist der erste Dominostein erst einmal umgeworfen, fallen die anderen von selbst. Die Entstehung des Lebens bewegt sich in festen Bahnen, vorgegeben durch die Regeln der Chemie – ein chemisch determinierter Prozess an dessen Ende der Stammbaum aller Lebewesen steht. (Chemistry – A European Journal, 2012; doi: 10.1002/chem.201102914)
(Technische Universität München, 20.01.2012 – DLO)
20. Januar 2012