In Brasilien haben Archäologen eine mehr als 10.500 Jahre alte Felsritzzeichnung entdeckt. Es handele sich hierbei um die älteste verlässlich datierte Menschendarstellung der Neuen Welt, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „PloS ONE“. Die 30 Zentimeter große, menschenähnliche Figur ist in die Kalksteinwand eines prähistorischen Felsunterstands eingeritzt. Sie trägt an jeder Hand nur drei Finger, ihr Kopf ist C-förmig und gleicht einem großen Schnabel. Der Phallus dieses Wesens ist übergroß dargestellt.
Entdeckt wurde die Ritzzeichnung bei einer Ausgrabung in einem Felsunterstand in Lapo da Santo im Osten Brasiliens. Die Wand mit der stilisierten Menschendarstellung war unter einer vier Meter dicken Gesteinsschicht begraben und wurde im Juli 2009 freigelegt. Wie alt diese Figur ist, haben die Wissenschaftler um Walter Neves von der Universidade de Sao Paulo nun mit Hilfe zweier unterschiedlicher Verfahren festgestellt.
Älteste figürliche Felsritzung
Die Radiokarbondatierung von Radiokarbondatierung aus der gleichen Schicht wie die Figur habe ein Mindestalter von 10.500 bis 10.700 Jahren ergeben, sagen die Forscher. Bei der Datierung von Quarzkörnern aus dem umgebenden Sediment kamen sie ebenfalls auf ein Alter zwischen 10.200 und 11.700 Jahren.
„Das bedeutet, dass diese Schnabelfigur die älteste figürliche Felsritzung ist, die jemals auf dem amerikanischen Kontinent gefunden wurde“, schreiben Neves und seine Kollegen. Sie werten die Figur auch als Indiz dafür, dass die ersten Menschen bereits vor deutlich mehr als 11.000 Jahren die Neue Welt besiedelten.
Kulturelle Vielfalt auch in Bezug auf Symbolwelt
Die neu datierte Felsfigur unterscheidet sich von vielen der bisher bekannten steinzeitlichen Felsritzungen in anderen Teilen Nord- und Südamerikas. Nach Ansicht der Wissenschaftler zeigt dies, dass die frühen Besiedler der Neuen Welt nicht nur verschiedene Steinwerkzeuge oder Lebensweisen besaßen, sondern sich auch in ihrer Symbolwelt voneinander unterschieden.
Offenbar tauschten sich aber einzelne Gruppen durchaus auch miteinander aus: Denn die Schnabelfigur ähnelt steinzeitlichen Felsritzungen aus dem Nordosten Brasiliens, die bisher nicht genauer datiert werden konnten. „Das könnte darauf hindeuten, dass es bereits zu jener Zeit kulturellen Austausch zwischen Menschengruppen gegeben hat, die 1.600 Kilometer voneinander entfernt lebten“, meinen die Forscher. (PloS ONE, 2012; doi:10.1371/journal.pone.0032228)
(PloS ONE / dapd, 24.02.2012 – NPO)