Mikrobiologie

Signalstoff macht Mikroben unempfänglich für Antibiotika

Erreger entgehen mit einer Art Winterschlaf möglichem Stress

Escherischia coli © CDC

Ein kleines Molekül namens Indol macht Bakterien unempfindlich gegen Antibiotika und ihre Bekämpfung damit wirkungslos. Der natürlich vorkommende Signalstoff bringt einige Erreger dazu, in eine Art Winterschlaf überzugehen, in dem sie nicht mehr auf Antibiotika ansprechen. Das berichten US-amerikanische Forscher im Fachmagazin „Nature Chemical Biology“. „Der Prozess erlaubt es den Bakterien, einen Teil ihrer Population gegen die Behandlung mit Antibiotika zu schützen.“ Solche Bakterien seien höchstwahrscheinlich für chronische und wiederkehrende Infektionen verantwortlich, schreiben die Forscher.

Antibiotikatoleranz ist etwas anderes als die Resistenz gegen Antibiotika: Resistente Erreger haben durch eine Veränderung in ihrem Erbgut die Fähigkeit erlangt, bestimmten Medikamenten aktiv zu entgehen, indem sie beispielsweise das für sie gefährliche Molekül unschädlich machen oder es aus der Zelle befördern, bevor es Schaden anrichtet.

Antibiotikatolerante Bakterien hingegen unterscheiden sich genetisch nicht von ihren Stammgenossen, die durch Antibiotika zerstört werden. Sie überleben den Kontakt mit den Medikamenten stattdessen, indem sie in eine Art Ruhezustand übertreten und unempfindlich werden. Der Erreger der Tuberkulose kann so sogar jahrelang überleben.

Frühzeitige Antwort auf möglichen Stress

Die chemische Substanz Indol ist ein häufiger Bestandteil von Naturstoffen, etwa von Farbstoffen und Hormonen. Bakterien stellen Indol selber her und kommunizieren darüber miteinander. Beim Darmbakterium Escherichia coli wirkt es als Signal, in einen winterschlafähnlichen Zustand überzugehen, haben die Forscher um Nicole Vega von der Boston University gezeigt. Die Substanz bringe die Zellen dazu, die Stoffwechselwege anzukurbeln, welche die Zelle vor Stress schützen sollen.

„Die Entstehung antibiotikatoleranter Zellen lässt die Bakterien auf Nummer sicher gehen, wenn die Umweltbedingungen unsicher werden“, schreiben Vega und ihre Kollegen. So bereite sich eine Bakterienpopulation auf möglichen zukünftigen Stress vor.

Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Studienergebnisse es möglich machen, neue und bessere Medikamente gegen solche hartnäckigen Bakterien zu entwickeln: „Arzneimittel, welche auf die beteiligten Stoffwechselwege abzielen, könnten auch antibiotikatolerante Bakterien bei einer Infektion vernichten“, sagt Vega. Möglicherweise ließen sich in Zukunft auch Medikamente entwickeln, welche verhindern, dass Bakterien Indol überhaupt wahrnehmen können. „Damit könnte man eine Bakterienpopulation davon abhalten, auf Antibiotika unempfänglich zu werden.“

Viel Indol – viel Winterschlaf

Die Forscher haben die Rolle des Indols über Versuche mit verschiedenen Bakterienstämmen entschlüsselt. Sie beobachteten, dass Bakterien, welche antibiotikatolerant geworden waren, zuvor besonders viel Indol aus dem Vorgängermolekül Tryptophan hergestellt hatten. Mutierte Bakterien, die natürlicherweise kein Indol mehr herstellen können, gingen öfter in den winterschlafähnlichen Zustand über, wenn die Substanz von außen über das Nährmedium zugeführt wurde.

Vega und ihre Kollegen konnten zudem sehen, dass Indol auf genetischer Ebene bestimmte Stoffwechselwege ankurbelte, womit die Zellen auf Stress reagieren. Blockierten die Forscher diese Stoffwechselwege, konnten die Bakterien nicht mehr in den Ruhezustand übergehen. Dann wurden sie alle von Antibiotika zerstört. (Nature Chemical Biology, 2012; doi: 10.1038/NChemBio.915)

(Nature Chemical Biology / dapd, 19.03.2012 – BOS)

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