Wissenschaftler haben eine Medikamenten-Fähre entwickelt, die Wirkstoffe von der Blutbahn gezielt ins Gehirn befördert. DIe synthetischen Proteinkapseln des Transportsystems überwinden dabei auch die natürliche Blut-Hirn-Schranke, die das Gehirn üblicherweise vor einer medikamentösen Behandlung abschottet, wie Tierversuchen zeigen. Das Verfahren eröffnet neue Perspektiven für die Therapie von Gehirnerkrankungen des Menschen wie Hirnturmore oder Multiple Sklerose.
Neurodegenerative Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Alzheimer, Parkinson und auch Hirntumore führen zur allmählichen Schädigung des Gehirns. Die Ursachen sind zum Teil ungeklärt, die Symptome vielfältig, wobei sie von Lähmungserscheinungen über Gedächtnisverlust bis zur Demenz reichen können. Gängige Therapiemethoden sind nur begrenzt wirksam. Was insbesondere daran liegt, dass sich das Gehirn nicht ohne Weiteres mit Medikamenten behandeln lässt. Grund dafür ist ein natürlicher Filtermechanismus in der Wand der Blutgefäße, die das Gehirn versorgen: Diese Blut-Hirn-Schranke schützt das Hirngewebe vor Krankheitserregern und hindert auch viele Arzneistoffe daran, von der Blutbahn ins Gehirn zu gelangen.
Markierungsstoff ins Gehirn von Mäusen eingeschleust
Wissenschaftler des Bonner Life Science Inkubators (LSI) haben nun eine Medikamenten-Fähre entwickelt, die diese Barriere überwindet. Untersuchungen mit Mäusen konnten dies jetzt erstmals bestätigen. Den Tieren war mittels des neuen Verfahrens ein Markierungsstoff in die Blutbahn verabreicht worden, der sich später im Gehirn wiederfand. Damit bietet sich eine neuartige Möglichkeit, Erkrankungen des zentralen Nervensystems zu behandeln.
„Manche Substanzen können die Blut-Hirn-Schranke durchaus passieren. Auch unsere Fähre wird vom Gehirn als etwas wahrgenommen, das es unbedingt benötigt. Sie kann so durch die Blut-Hirn-Schranke schlüpfen“, sagt Projektleiter Heiko Manninga. „Damit sind wir in der Lage, eine Vielzahl von Wirkstoffen von der Blutbahn ins Gehirn zu transportieren. Dass das Verfahren so gezielt wirkt, hat uns selbst überrascht.“ Die Untersuchungen zeigen zudem, dass die Fracht nicht nur in den Zellen ankommt, sondern dort auch noch funktionsfähig ist. „Das Paket wird unbeschadet abgeliefert, das ist Voraussetzung für eine mögliche Therapie“, so Manninga.