Biologie

Manipulierte Pflanze wächst im Stockdunkeln

Ausgetauschtes Sensormolekül gaukelt Ackerschmalwand die Gegenwart von Licht vor

Dem Keimling rechts wurde ein synthetischer Photorezeptor eingeschleust. Er öffnet seine Keimblätter deshalb auch im Dunkeln. Der Kontrollkeimling tut dies nicht. © P. Lamparter / KIT

Mit einem chemischen Trick haben Forscher eine Pflanze so manipuliert, dass diese im Stockdunkeln völlig normal wuchs. Sie ersetzten dafür einen Bauteil des pflanzlichen Lichtsensors und gaukelten der Ackerschmalwand so die Gegenwart von Licht vor. „Die Pflanzen haben sich quasi im Dunkeln so entwickelt, als ob sie im Licht wären“, sagt Studienleiter Tilman Lamparter vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Trotz Dunkelheit keimten und wuchsen die Modellpflanzen in ähnlicher Weise wie die normal bei Licht gehaltene Kontrollgruppe. Das zeige erstmals, dass synthetische Stoffe Lichteffekte in der ganzen Pflanze hervorrufen können, berichten die Forscher im Fachmagazin „The Plant Cell“.

Normalerweise sind Pflanzen für ihr Wachstum von der Sonne abhängig. Denn das Sonnenlicht versorgt sie nicht nur mit Energie, sondern steuert auch viele Entwicklungsschritte vom Keimen, über die Blattentwicklung bis hin zur Knospenbildung und dem Blühen. Angestoßen werden diese Prozesse durch spezielle Lichtsensoren in den Zellen. Um herauszufinden, ob sich dieses Sensorsystem überlisten lässt, führten die Wissenschaftler Experimente mit der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) durch. Dieses unscheinbare, weißlich blühende Gewächs ist genetisch sehr gut untersucht und wird daher häufig als Modellorganismus genutzt.

Baustein des Lichtsensors ausgetauscht

Für ihre Studie ersetzten die Forscher einen Baustein des natürlichen Lichtsensors der Ackerschmalwand, das sogenannte Phytochromobilin, gegen einen synthetischen Stoff. Das neu eingesetzte 15Ea-Phycocyanobilin (15EaPCB ) aktivierte den Lichtsensor und löste damit eine Reaktion aus, die normalerweise nur bei Licht abläuft. „Alle typischen Prozesse, wie die Samenreifung, die Öffnung der Keimblätter, die Ausrichtung der Pflanze an der Schwerkraft und die Genregulation wurden im Dunkeln durch 15EaPCB ausgelöst“, berichten die Forscher. Kontrollpflanzen, die ohne diese Manipulation im Dunkeln gehalten wurden, zeigten diese Reaktionen dagegen nicht.

Nach Ansicht der Forscher könnten solche Manipulationen der Lichtsensoren zukünftig ein wertvolles Werkzeug für die Forschung werden. Denn mit ihnen lassen sich viele chemische Pflanzenprozesse leichter untersuchen als bisher. „Vielleicht ließen sich in Zukunft auch das Blühen von Blumen oder die Ausbildung des Photosynthese-Apparats besser steuern“, blickt Lamparter in die Zukunft. „Diese Erkenntnisse wären sicherlich wertvoll für die Agrarindustrie von der Blumenzucht bis zur Biomasseproduktion.“ (doi: 10.1105/tpc.111.094656)

(Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 15.05.2012 – NPO)

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