Geowissen

Irdisches Magnetfeld hat sich nach Osten verschoben

Ungewöhnlich starke Drift der Magnetachse könnte kommende Umpolung anzeigen

Magnet Erde © MMCD

In den letzten 200 Jahren hat sich das Magnetfeld der Erde deutlich nach Osten verschoben. Seine Achse verläuft nicht mehr leicht westlich des Erdzentrums, wie in den letzten 10.000 Jahren die Regel. Stattdessen liegt sie heute 500 Kilometer östlich der Erdmitte. Diese ungewöhnliche Abweichung und ihre Ursache haben US-amerikanische Forscher jetzt mit Hilfe einer Simulation ermittelt. Ihre Ergebnisse zeigen, dass starke seitliche Verschiebungen im Laufe der Erdgeschichte meist kurz vor einer Umpolung auftraten, wenn sich das Magnetfeld bereits abzuschwächen begann. Auch heute gebe es Anzeichen dafür, dass eine Umkehrung der magnetischen Pole bevorstehe, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Geoscience“.

Bei einer Umpolung verändert sich die Richtung der magnetischen Feldlinien – der magnetische Nordpol wird zum Südpol und umgekehrt. Bis der neue Endzustand erreicht ist, dauert es allerdings ein paar Tausend Jahre. In dieser Zeit ist das irdische Magnetfeld extrem schwach und chaotisch, es können sich sogar vorübergehend zusätzliche Pole bilden. Gesundheitsschädliche Strahlung aus dem All, die normalerweise weit oberhalb der Erdoberfläche abgefangen wird, kann dann nahezu ungehindert bis nach unten durchdringen.

Es gibt zwar erste Anzeichen für eine Abschwächung des Erdmagnetfelds, Forscher gehen aber davon aus, dass dieses Ereignis frühestens in ein- bis zweitausend Jahren stattfinden wird. Auch die neuen Erkenntnisse ändern daran nichts. Die Simulationen zeigen aber, dass auch eine starke Verschiebung des Magnetfelds zu den Vorzeichen einer Umpolung gehört – und dass der innere Erdkern bei der Wanderung der Magnetachse eine wichtige Rolle spielt, wie die Forscher berichten. Sie hatten mit ihrem Modell rekonstruiert, wie und warum sich das Zentrum des Magnetfelds im Laufe der letzten 10.000 Jahre um die Erdmitte bewegt hat.

Verschiebung des Magnetfeldzentrums zu verschiedenen Zeiten der Erdgeschichte. AM stärksten war sie immer kurz vor und während der Umpolungen © Olson and Degue, Nature Geoscience

Verschoben statt symmetrisch

„Der gängigen Theorie nach sollte das geomagnetische Feld im Erdkern hochgradig symmetrisch sein“, schreiben die Studienautoren Peter Olson und Renaud Degue von der Johns Hopkins University in Baltimore. Doch Messungen und Simulationen zeigten, dass das Magnetfeld in den letzten 10.000 Jahren fast immer exzentrisch gewesen sei. „Meist lag die Achse mehrere hundert Kilometer vom Erdzentrum entfernt und war nach Westen verschoben“, sagen die Forscher. Erst in den letzten 200 Jahren habe sich diese Bewegung umgekehrt, die Achse driftete auf die Ostseite des Kerns.

Eine Erklärung für diese Asymmetrie fanden die Forscher, als sie das Wachstum des inneren Erdkerns in ihre Simulationen mit einbezogen. Bekannt war bereits, dass die ständige Rotation des flüssigen äußeren Erdkerns um den festen inneren Kern das Magnetfeld antreibt. Aus seismischen Messungen wusste man auch, dass der innere Kern sich ständig verändert: An der Ostseite schmilzt seine Oberfläche und er verliert Material. An der Westseite lagert sich dagegen flüssiges Metall aus dem äußeren Kern an. Dadurch wächst der feste Kern stetig immer weiter nach Westen. Im Laufe der letzten fünf Millionen Jahre habe es aber vermutlich mindestens eine Ära gegeben, in der das Wachstums des Erdkerns umgekehrt verlief, berichten die Forscher. Er sei dann nach Osten statt nach Westen gewachsen.

„Unsere Ergebnisse zeigen nun, dass sich dieses schiefe Wachstum auch auf die Achse des Magnetfelds übertragen kann“, schreiben die Forscher. Sie wandere bevorzugt auf die Seite des Kerns, die gerade zunehme. In den letzten 10.000 Jahren sei das Zentrum des Magnetfelds daher meist nach Westen verschoben gewesen, auf die wachsende Seite des inneren Erdkerns. Kurz vor einer Umpolung lässt der Einfluss des schiefen Kernwachstums auf die Magnetachse aber nach, wie die Simulation auch ergab. Das Magnetfeld wird schwächer und sein Zentrum kann dann auch auf die andere Seite des Kerns wandern – wie in den letzten 200 Jahren geschehen. (Nature Geoscience, 2012; doi:10.1038/ngeo150)

(Nature Geoscience, 02.07.2012 – NPO)

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