Medizin

Anfälligkeit für chronische Schmerzen zeigt sich am Gehirn

Engere Verknüpfung zweier Areale verrät höheres Risiko für Dauerschmerzen

Forscher haben aufgeklärt, warum Rückenschmerzen bei einigen Menschen chronisch werden und bei anderen nicht: Zwei für die Schmerzreaktion wichtige Regionen im Gehirn sind bei den anfälligen Personen stärker miteinander verknüpft. Auf Basis dieser neuen Erkenntnis gelang es den Wissenschaftlern, mit 85-prozentiger Genauigkeit vorherzusagen, ob sich der Rückenschmerz bei ihren Probanden im Laufe eines Jahres legen würde oder nicht. in der Studie habe man zudem erstmals nachverfolgt, was sich im Gehirn verändere, während ein Schmerz chronisch werde, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Neuroscience“. Das eröffne auch neue, gezieltere Möglichkeiten der Therapie bei chronischen Schmerzen.

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„Zum ersten Mal können wir nun erklären, warum der Schmerz bei Menschen mit exakt den gleichen Anfangsbeschwerden manchmal chronisch wird und manchmal wieder weggeht“, erklärt Studienleiter A. Vania Apkarian von der Northwestern University Feinberg School of Medicine in Chicago. Entscheidend sei nicht körperliche Ursache des Schmerzes allein, sondern auch der Zustand des Gehirns.

In Gehirnscans von Probanden, die seit einigen Wochen unter Rückenschmerzen litten, fanden die Forscher deutliche Unterschiede: Bei einigen war der präfrontale Cortex, ein hinter der Stirn liegender Bereich der Hirnrinde, besonders stark mit dem sogenannten Nucleus accumbens verknüpft. In diesem Hirnzentrum werden ankommende Reize und Informationen bewertet und eingeordnet. Beide Gehirnbereiche kommunizierten bei denjenigen Patienten intensiver miteinander, deren Rückenschmerzen sich auch ein Jahr später nicht gebessert hatten, wie die Forscher berichten.

„Es kann sein, dass genetische oder umweltbedingte Einflüsse diese Gehirnregionen bei den Betroffenen dazu prädestinieren, stärker auf Schmerzreize zu reagieren“, mutmaßt Apakarian. Möglicherweise bringe vor allem der aktivere Nucleus accumbens den Rest des Gehirns dazu, die Veränderungen zu entwickeln, die zu chronischen Schmerzen führen. „Jetzt hoffen wir, neue Therapien entwickeln zu können, die an diesen Erkenntnissen ansetzen“, sagt Apkarian.

40 Rückenschmerz-Patienten ein Jahr lang untersucht

Für ihre Studie begleiteten die Forscher 40 Rückenschmerzpatienten über ein Jahr hinweg. Am Anfang der Studie und in regelmäßigen Abständen währenddessen wurde das Gehirn aller Probanden mittels verschiedener bildgebender Verfahren untersucht und vermessen. Die Wissenschaftler registrierten dabei unter anderem, ob sich der Anteil der grauen Substanz – der Hirnrinde – im Laufe der Zeit veränderte und wie stark verschiedene Gehirnareale miteinander verknüpft waren.

Das Ergebnis zeigte nicht nur Unterschiede in der Verknüpfung von Nucleus accumbens und präfrontalem Cortex. Wie die Forscher feststellten, nahm auch die graue Substanz im Gehirn der Patienten deutlich stärker ab, deren Rückenschmerzen chronisch wurden. Bei ihnen seien vor allem Hirnrindenbereiche dünner geworden, die für Wahrnehmung und für Bewegungen zuständig seien, sagen Apakarian und seine Kollegen. Aber auch im Nucleus accumbens habe die Dichte der grauen Substanz abgenommen.

Bei einer weiteren Probandengruppe nutzten die Forscher anfängliche Unterschiede in der Verknüpfung von Nucleus accumbens und präfrontalem Cortex, um vorherzusagen, welche dieser Patienten ein Jahr später noch Schmerzen haben würden und welche nicht. Ihre allein auf der Gehirnstruktur basierenden Prognosen erwiesen sich zu 85 Prozent als korrekt, wie die Wissenschaftler berichten. (doi:10.1038/nn.3153)

(Nature Neuroscience, 03.07.2012 – IRE)

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