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Technik

Neue Software erkennt Stimmung am Finanzmarkt

Prototyp wertet Inhalte von Twitter-Meldungen aus

Stimmungsanalyse zum Filmunternehmen Netflix für den Zeitraum April 2011 - Dezember 2011. © FIRST-Project

Künftig ersetzt vielleicht eine Software den Finanzexperten. Europäische Forscher haben ein Programm entwickelt, das anhand von Twitter-Meldungen die Stimmung auf dem Finanzmarkt erkennt. Einen Prototyp davon stellten sie kürzlich auf einem Workshop in Mailand vor. Das Programm erkennt, ob ein bestimmter Begriff aus dem Finanzbereich in den Mitteilungen in positivem oder negativem Zusammenhang erwähnt wird. Je nach Suchbegriff könne man damit auch die Meinung zu einem konkreten Unternehmen oder einer Aktie nahezu in Echtzeit ermitteln, berichteten die Forscher auf der Tagung. Erste Auswertungen zeigten, dass diese Stimmungen und vor allem ihr abrupter Wechsel häufig eng mit Kursschwankungen verknüpft seien. Das Programm könne daher wertvolle Hilfe dabei leisten, das momentane und zukünftige Verhalten des Marktes besser einzuschätzen.

Über den Mikroblogging-Dienst Twitter und andere soziale Medien gehen in jeder Minute enorme Mengen an Mitteilungen ins Netz. Längst nicht alle aber stammen von Menschen aus dem Finanzsektor oder behandeln für diesen Bereich wichtige Themen. Die Herausforderung besteht daher darin, aus der Flut an Daten in diesen Netzwerken korrekte und verlässliche Informationen herauszufiltern. Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts FIRST entwickeln Wissenschaftler unter anderem aus Deutschland zurzeit eine Software, die genau das kann. Sie analysiert systematisch die unstrukturierten Daten und extrahiert aus ihnen die Informationen, die für den Finanzmarkt und mögliche finanzwirtschaftliche Entscheidungen relevant sind.

Der in Mailand vorgestellte Prototyp kann bereits aus Twitter-Meldungen ein Meinungsbild über einen bestimmten Begriff aus der Finanzwelt erstellen. Gibt man in diesen Prototyp ein Suchwort ein, zum Beispiel „Euro“, sammelt das Programm gezielt alle Tweets, die diesen Begriff enthalten. Anschließend analysiert die Software den inhaltlichen Zusammenhang und erkennt daran, ob die Mitteilungen positiv oder negativ sind. Sie prüft dabei nicht nur, ob bestimmte positive oder negative Schlüsselwörter in den Mitteilungen enthalten sind. Stattdessen wertet das Programm den Inhalt semantisch aus – es erkennt den Zusammenhang der benutzten Wörter.

Meinungsbild nimmt Kursverlauf vorweg

In einem ersten Test haben die Forscher mit diesem Programm ermittelt, wie sich die Meinung über das Filmunternehmen Netflix von Marz bis Dezember 2011 entwickelt hat. Dieses Stimmungsbild glichen sie mit dem tatsächlichen Kursverlauf der Unternehmensaktie ab. Es zeigte sich, dass die anfangs vorwiegend positiven Meinungen im September 2011 ins Negative abkippten – zu diesem Zeitpunkt verlor Netflix einen wichtigen Fernsehvertrag. „Interessanterweise geschah dieser Meinungsumschwung deutlich bevor dann auch die Aktie abstürzte“, erklären die Forscher. Der erste Test deute daher darauf hin, dass die Stimmungslage durchaus ein Vorzeichen für kommende Kursentwicklungen sein könne. Ob das Programm aber tatsächlich auf diese Weise als Finanzberater geeignet sei, müsse sich erst in weiteren, umfangreicheren Tests zeigen.

Das FIRST-Projekt läuft noch bis Herbst 2013. Bis dahin wolle die Forscher das Programm weiter verfeinern und testen. Forscher der Universität Göttingen arbeiten zurzeit daran, auf Basis dieser Software auf Manipulationen des Finanzmarkts besser erkennen zu können. „Wir entwickeln beispielsweise Vorhersagemodelle, die Falschmeldungen identifizieren sollen“, sagt Jan Muntermann, Professor für Wirtschaftswissenschaften und Experte für E-Finance an der Universität Göttingen. Die Software erkennt dann beispielsweise Abweichungen vom allgemeinen Meinungsbild und meldet Manipulationsverdacht.

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(Universität Göttingen / FIRST-Projekt, 16.07.2012 – NPO)

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