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Medizin

Nächtliches Licht fördert Depressionen

Innere Uhr und Hormonhaushalt werden durch die fehlende Dunkelheit gestört

Nächtliche Beleuchtung in Tokio © Yasuhiro / CC BY 2.0

Die nächtliche Lichtverschmutzung hat möglicherweise Mitschuld an Depressionen. Denn schon der schwache Schimmer von Straßenlaternen könnte ausreichen, um unsere innere Uhr und den Hirnstoffwechsel zu stören. Hinweise darauf haben US-amerikanische Forscher in Versuchen mit Hamstern entdeckt. Hielten sie die Tiere nachts bei schwachem Schummerlicht statt Dunkelheit, entwickelten diese nach vier Wochen deutliche Anzeichen einer Depression: Die Hamster waren weniger aktiv und in ihrem Gehirn entstand ein Ungleichgewicht von Signalstoffen, wie es auch menschliche Patienten mit schwerer Depression zeigen. Das deute darauf hin, dass das nächtliche Licht den Tag-Nacht-Rhythmus störe und dadurch zum Entstehen einer Depression beitrage, berichten die Forscher im Fachmagazin „Molecular Psychiatry“. Möglicherweise sei es daher kein Zufall, dass parallel zur zunehmenden nächtlichen Lichtverschmutzung in den letzten Jahrzehnten auch immer mehr Menschen an Depressionen erkrankt seien.

Das elektrische Licht ermöglicht es uns heute, rund um die Uhr aktiv zu sein und unabhängig von den natürlichen Tageszeiten zu leben und zu arbeiten. Vor allem in den Städten hat dies zur Folge, dass es auch in den meisten Schlafzimmern nachts kaum mehr richtig dunkel wird. „Diese unnatürlichen Bedingungen haben ziemlich sicher zahlreiche Auswirkungen auf Physiologie und Stimmung“, schreiben Tracy Bedrosian von der Ohio State University in Columbus und ihre Kollegen. Denn die Dunkelphasen seien wichtige Zeitgeber für die innere Uhr und damit auch den Stoffwechsel und Hormonhaushalt. Für die Depression spielen die von der inneren Uhr gesteuerten Hormone Serotonin und Melatonin eine wichtige Rolle.

Fünf mal heller als der Vollmond

Für ihre Studie testeten die Forscher den Effekt von nächtlichem Schummerlicht mit weiblichen, einzeln gehaltenen Hamstern. Ein Teil der Tiere lebte unter normalen Lichtbedingungen von 16 Stunden Licht und 8 Stunden Dunkelheit. Die Käfige der anderen Hamster wurden nachts mit schwachem Licht von 5 Lux Stärke bestrahlt. „Das ist etwa fünf Mal heller als der Vollmond und entspricht in etwa dem Licht in einem Stadtzentrum“, sagen die Forscher. Während der acht Wochen dauernden Versuchszeit beobachteten sie das Verhalten der Hamster. Nach Versuchsende untersuchten sie zudem den Hippocampus im Gehirn aller Tiere. In dieser Region schrumpfen bei schwer depressiven Menschen und Tieren Nervenzellausläufer.

Die im Schummerlicht gehaltenen Hamster entwickelten sowohl in ihrem Verhalten als auch in ihrem Gehirn deutliche Symptome einer Depression, wie die Forscher berichten. So bewegten sie sich weniger und verschmähten sogar Zuckerwasser, eine normalerweise beliebte Süßigkeit. Im Hippocampus der Tiere waren Nervenzellenausläufer geschrumpft, zudem wies der Signalstoffwechsel in diesem Hirnareal typische, mit denen depressiver Menschen vergleichbare Veränderungen auf.

Aber es gebe auch eine gute Nachricht, betonen die Forscher: Die depressiven Veränderungen normalisierten sich wieder, wenn die Hamster nach der achtwöchigen Versuchszeit wieder in nächtlicher Dunkelheit gehalten wurden. Wer also längere Zeit die Nacht zum Tage mache oder ständig abends und nachts störendem Licht ausgesetzt sei, der könne die negativen Effekte auch wieder rückgängig machen. „Wenn man wieder dem normalen Tag-Nacht-Rhythmus folgt und sich nachts vor störendem Licht abschirmt, heben sich die Störungen der inneren Uhr auch wieder auf“, erklären die Wissenschaftler. (doi:10.1038/mp.2012.96)

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(Molecular Psychiatry, 25.07.2012 – NPO)

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