Impfungen gegen Malaria könnten diese tödliche Infektionskrankheit noch gefährlicher machen. Denn eine in vielen Impfstoffkandidaten enthaltene Substanz fördert offenbar die Bildung noch aggressiverer Erreger. Darauf deutet ein Versuch US-amerikanischer Forscher mit Mäusen hin. Steckten sich ungeimpfte Mäuse bei geimpften Artgenossen mit dem Malaria-Erreger Plasmodium chabaudi an, erkrankten sie deutlich schwerer als durch den ursprünglichen Parasitenstamm.
Der Kontakt mit dem Wirkstoff merze zwar einen Großteil der Parasiten aus, lasse aber die gefährlicheren überleben. Eine Impfung mit dieser Substanz fördere offenbar Genveränderungen beim Erreger, die ihn aggressiver machten, berichten die Forscher im Fachmagazin „PloS Biology“. Möglicherweise sei dieser Effekt nicht auf Malaria beschränkt, sondern existiere auch bei anderen Infektionskrankheiten.
Gegen die Malaria gibt es bisher noch keine Impfung, weltweit werden aber zurzeit mehrere Wirkstoffe in klinischen Studien getestet. In mindestens zehn dieser Impfstoffkandidaten sei die jetzt im Mäuseversuch geprüfte Substanz AMA-1 enthalten, sagen Victoria Barclay von der Pennsylvania State University und ihre Kollegen. Dieser Wirkstoff regt das Immunsystem dazu an, Antikörper zu bilden, die den Malaria-Parasit daran hindern, in die roten Blutkörperchen einzudringen.
Wenn ein solcher Impfstoff nicht alle Parasiten abtöte, gebe ihnen dies eine Chance, sich weiterzuentwickeln, warnen die Wissenschaftler. Eine Stechmücke könne dann das Blut des geimpften Patienten saugen und die Plasmodien beim nächsten Stich auf eine ungeimpfte Person übertragen. In der Medizin nenne man diesen Prozess ein „Leck“. In den Experimenten mit Mäusen habe sich nun gezeigt, dass solche Lecks beim Wirkstoff AMA-1 fatale Folgen haben könnten.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir wachsam sein müssen“, sagt Studienleiter Andrew Read von der Pennsylvania State University. Noch wisse man zwar nicht, ob die Impfung mit AMA-1 auch beim Menschen solche Folgen haben könne. Aber es sei nicht auszuschließen. Die Forscher raten daher, alle größeren Tests von Malaria-Impfstoffen beim Menschen zukünftig gezielt auf solche Veränderungen des Erregers zu überwachen. „Es ist sonst gut möglich, dass sich aggressivere Stämme des Malaria-Erregers entwickeln werden, sobald ein Impfstoff zugelassen und breit eingesetzt wird“, warnt Read.
Parasiten mit dem Blut von einer Maus zur anderen übertragen
Für ihre Studie hatten die Forscher eine Gruppe von Mäusen mit dem Wirkstoff AMA-1 geimpft und anschließend mit Plasmodium chabaudi infiziert, einem bei Nagetieren verbreiteten Malaria-Erreger. Nach sieben Tagen entnahmen sie den Mäusen Blut und übertrugen 0,1 Milliliter davon an weitere, ebenfalls geimpfte Mäuse. Dieses Verfahren wiederholten sie 20 Mal. Nach dem 10. und 20. Durchgang übertrugen die Mediziner das Blut der geimpften Mäuse auch an einige nicht-geimpfte und damit dem Erreger schutzlos ausgesetzte Nager. Eine weitere Gruppe von Mäusen wurde dem gleichen Verfahren unterzogen, hatte aber zuvor nur eine Scheinimpfung ohne den eigentlichen Wirkstoff erhalten.
„Die Parasiten, die zuvor mindestens zehn Passagen durch geimpfte Tiere hinter sich hatten, lösten schwerere Symptome bei den ungeimpften Mäusen aus“, berichten die Forscher. Bei diesen seien 20 Prozent mehr rote Blutkörperchen zerstört worden als bei den Mäusen, die mit dem ursprünglichen oder dem durch die scheingeimpften Mäuse gegangenen Erreger infiziert worden waren.
Genvergleiche zeigten, dass der Teil des Erregers, den der Impfstoff für das Immunsystem angreifbarer machte, nicht verändert worden war. Das sei überraschend, denn wenn, dann habe man eine Genveränderung dort erwartet, sagen die Wissenschaftler. Bilde ein Erreger beispielsweise Resistenzen gegen einen Wirkstoff, geschehe dies auch meist genau an diesen Ansatzstellen. Stattdessen müsse das Erbgut des Parasiten anderswo mutiert sein. Wo genau, wolle man jetzt in weiteren Untersuchungen klären. (doi:10.1371/journal.pbio.1001368)
(PloS Biology, 01.08.2012 – NPO)